Wohnraum für Flüchtlinge ist schwer zu finden, diese seit 2015 in Österreich befindliche irakische Familie ist in einem Wiener "Haus zum Leben" untergekommen.

Foto: KPW / Sarah Bruckner

Wien – Gleich zwei Pressekonferenzen zum Thema Flucht und Migration fanden gestern, Montag, dem von der Uno ausgerufenen internationalen Weltflüchtlingstag, in Wien statt. Erstens übte eine Allianz mehrerer Flüchtlingsunterstützungs- und Menschenrechtsorganisationen Kritik an den Zuständen im Asylwesen und deponierte einen Zehnpunkteplan für einen besseren Umgang mit Schutzsuchenden.

Zweitens wurde das Thema polizeilich aufbereitet. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt, Gerald Tatzgern, präsentierten den Schlepperbericht 2021.

Dieses Timing fand Ferri Maier, ehemaliger ÖVP-Abgeordneter und Sprecher der Gruppe Menschen. Würde. Österreich, hinterfragenswert. Die Suche nach Schutz vor Verfolgung in und die rechtswidrige Einreise nach Österreich würden dadurch ungut miteinander vermengt, sagte er bei der Pressekonferenz der Flüchtlingshelfer.

Laut dem Schlepperbericht wurden 2021 in Österreich 41.612 Ausländerinnen und Ausländer aufgegriffen: die dritthöchste Anzahl in den vergangenen zehn Jahren. Darunter waren 441 der Schlepperei verdächtigte Personen und 15.941 Geschleppte ebenso sowie 25.230 Menschen, die rechtswidrig eingereist oder ohne gültige Aufenthaltspapiere angetroffen wurden.

39.930 Asylanträge im vergangenen Jahr

Wie viele dieser Personen um Asyl ersucht haben, nachdem sie aufgegriffen wurden, ist nicht eruierbar. Ihre rechtswidrige Einreise, eine Verwaltungsübertretung, wird, sobald sie den Antrag gestellt haben, in Österreich nicht verfolgt. Insgesamt gab es vergangenes Jahr 39.930 Asylanträge.

"Das letzte Jahr war auch von der Pandemie geprägt", sagte Minister Karner. Dennoch seien mehr Schlepper als 2020 aufgegriffen worden. Heuer deute einiges auf einen weiteren Anstieg hin, in den ersten fünf Monaten habe es bereits mehr als 200 Festnahmen von der Schlepperei verdächtigten Personen gegeben. Das können auch Menschen sein, die Unterkünfte oder Fahrzeuge zur Verfügung stellen – etwa Taxifahrer, die Ausländer über die Grenze bringen.

Keine legalen Fluchtwege

Je größter der Druck, aus den Heimatländern zu fliehen, und je schwieriger es sei, legal nach Österreich zu kommen, um hier Schutz zu erhalten, umso mehr Schlepper werde es geben, kommentierte Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination diese Entwicklung. Bei der Pressekonferenz der Unterstützungsgruppen gingen er und die anderen Sprecherinnen mit der Flüchtlingspolitik Österreichs hart ins Gericht.

Ex-ÖVP-Abgeordneter Maier sprach von einem "vollkommenen Versagen". Ohne massive Beteiligung der Zivilgesellschaft wäre das Scheitern offensichtlich.

Tatsächlich leben zwei Drittel aller ukrainischen Flüchtlinge in privat zur Verfügung gestelltem Wohnraum. Ihre Quartiergeber müssten jedoch vielfach monatelang auf Wohngeld warten, sagte Manuela Ertl von der NGO Train Of Hope. Als Beispiel nannte sie Oberösterreich.

Staatliches Schneckentempo

Auch würden wichtige Entscheidungen nur im Schneckentempo umgesetzt, sagte Gahleitner-Gertz. So etwa die Erhöhung der Tagsätze für Flüchtlinge in der Grundversorgung: dem Absicherungsnetz für mittellose Schutzsuchende, das neben 31.000 Menschen im Asylverfahren zurzeit auch rund 56.000 Flüchtlinge aus der Ukraine umfasst.

Im März wurde verkündet, die höheren Summen seien beschlossen, daher würden sie "frühestens im Herbst, aber wahrscheinlich erst im Jahr 2023 fließen". Zu einem Zeitpunkt, an dem das Plus von der hohen Inflation längst aufgefressen sein werde. Grund dafür: Nach dem Beschluss von Bund und Ländern und im Ministerrat müssen noch der Nationalrat und sämtliche Länderparlamente zustimmen.

Zehnpunkteplan der Zivilgesellschaft

Um die Zustände zu verbessern, brauche es mehr Anerkennung für die Zivilgesellschaft, eine Neuaufstellung der Grundversorgung, Zugang zur Sozialhilfe und mehr Deutschkurse für Ukraine-Flüchtlinge sowie Erleichterungen speziell für asylsuchende Frauen. Auch eine Clearingstelle für vulnerable Flüchtlinge sowie eine Wiederaufnahme des 2017 von Österreich gekündigten Resettlement-Programms ist Teil des Zehnpunkteplans. (Irene Brickner, 20.6.2022)