In Österreich prüft derzeit der Verfassungsgerichtshof, ob das Suchtmittelgesetz, das auch den privaten Umgang mit Cannabis ohne Vorteilsziehung unter Strafe stellt, verfassungskonform ist.

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Aus dem Lautsprecher dröhnt der Song "Spliff" von Bilderbuch. Auf dem Tisch sind zwei zarte Cannabispflänzchen aufgestellt. Auf einem mitgebrachten Demoschild steht: "Man bringe den Bubatz", auf dem anderen ist "Legalize" zu lesen und ein qualmender Joint zu sehen.

Ganz aktionistisch – also inklusive eines vor Ort angezündeten Blunts, Spliffs, Ofen oder auch Bubatz, wie ein Joint noch genannt werden kann – wird die Veranstaltung der pinken Junos am Dienstagvormittag im Sigmund-Freud-Park bei der Wiener Hauptuni aber nicht. Das wäre nach aktueller Gesetzeslage auch illegal gewesen. Die Junos sind die Jugendorganisation der Neos, und sie treten wie die Partei selbst für die vollständige Legalisierung von Marihuana ein. "Es gibt keinen Grund für das österreichische Festhalten an der Kriminalisierung von Marihuana", sagt die Junos-Bundesvorsitzende Anna Stürgkh.

Anna Stürgkh ist Bundesparteivorsitzende der Junos und Neos-Bezirksrätin in Wieden (rechts). Evelyn Shi ist Landesvorsitzende der Wiener Junos und Neos-Klubchefin in Döbling.

Höchstrichter beraten

Der Vorstoß der Junos kommt nicht aus heiterem Himmel, sondern hat einen Hintergrund: Denn mit dem gültigen Cannabisverbot im Suchtmittelgesetz beschäftigt sich derzeit auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in seiner Juni-Session. Der Niederösterreicher Paul Burger hatte 2021 in einem Individualantrag argumentiert, dass das Konsumverbot von Cannabis unverhältnismäßig und unsachlich sei. Er verwies auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über die Cannabispflanze sowie auf die geänderten gesellschaftlichen Anschauungen über den Cannabiskonsum.

Laut dem Antrag bestehe nur ein sehr geringes Risiko einer psychischen oder physischen Abhängigkeit. Das Suchtpotenzial sei viel geringer als bei Nikotin oder Alkohol. Gegenstand des Verfahrens vor dem VfGH ist laut Burger, ob das Suchtmittelgesetz – "das auch den privaten Umgang mit Cannabis ohne Vorteilsziehung unter Strafe stellt" – verfassungskonform ist.

Sitzungsperiode dauert noch zehn Tage

Wann der Verfassungsgerichtshof darüber entscheidet, ist offen. Insgesamt werden in der Juni-Session mehr als 400 Anträge und Beschwerden behandelt. Eine Sprecherin des Höchstgerichts verwies auf STANDARD-Anfrage darauf, dass sich die Tagesordnung immer wieder ändere. Die Sitzungsperiode dauere noch zehn Tage. Falls eine Entscheidung in der Causa Cannabis getroffen wird, kann es aber bis zur öffentlichen Bekanntgabe noch etwas länger dauern.

Die Politik dürfe sich nicht zurücklehnen und auf das Erkenntnis des VfGH warten, meint Junos-Chefin Stürgkh. In Deutschland etwa habe sich die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP für eine Legalisierung von Cannabis auch zu Genusszwecken ausgesprochen. Einen ersten Gesetzesentwurf könnte es in Deutschland bis zum Ende des Jahres geben, eine Umsetzung selbst dürfte laut Experten aber noch um einiges länger dauern.

Junos für Cannabiszonen

Die Junos fordern in Österreich als Pilotprojekt Cannabiszonen, wo ein geordneter Kauf und Konsum von Cannabis ermöglicht wird, wie Evelyn Shi, Landesvorsitzende der Wiener Junos und Neos-Klubchefin in Döbling, ausführt. "Das kann eine Zwischennutzung in leerstehenden Gebäuden sein." Einlass soll es ab 18 Jahren geben, auch Sozialarbeiter zur Aufklärung und Unterstützung sollen vor Ort tätig sein.

Eine parlamentarische Mehrheit für eine Legalisierung gibt es aktuell nicht. Darauf verweisen die Grünen, die sich für eine Entkriminalisierung von Cannabiskonsum einsetzen. Gegen eine Legalisierung sprachen sich neben der FPÖ auch ÖVP und SPÖ aus. Die rote Parteijugend in Niederösterreich fordert hingegen eine Legalisierung.

"Wenn der VfGH entsprechend entscheiden sollte, ändert sich die Ausgangslage natürlich grundsätzlich", heißt es aus dem grünen Parlamentsklub zum STANDARD. "Dann wird man sich das Urteil und den daraus resultierenden Auftrag an den Gesetzgeber genau ansehen, die Erfahrung anderer Staaten in diesem Zusammenhang hinzuziehen und entsprechend dem Urteil in die Umsetzung gehen." (David Krutzler, 21.6.2022)