Die Energiewende braucht noch Zeit, Putin sei Undank: das Braunkohlekraftwerk in Bergheim-Niederaußem, im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen.

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Seit es dem Potentaten im Kreml gefällt, am Hahn seiner Pipeline zu drehen, stehen über unseren Gasheizkesseln große Fragezeichen. Selbst Skeptiker, die für die Energiewende bisher vor allem Spott übrighatten, richten dieser Tage unterwürfige Briefe nach Fernost. Tenor ihrer Post: Konfuzius‘ Enkel mögen uns bitte viele Solarpanels umgehend nach Europa schicken! Die Glut unserer Heizkörper soll Frau Sonne schüren.

Die unumgängliche Wärme meiner Kindertage bezog ich – ein Babyboomer mit gut isolierender Fettschicht – aus dem Kohlenkübel meines Vaters. In der Drei-Zimmer-Wohnung meiner Eltern bildete ein Koksofen die natürliche Mitte. Allmorgendlich zog sich mein Erzeuger einen verwegenen Pullover über. Prompt verschwand er im Keller, um mit einer Schütte, vollgestopft mit Kohle, wiederzukehren. Heißa, wie das rasselte!

Alsbald verbreitete sich rund ums Öfchen eine intensive Affenhitze. Bis heute verbinde ich mit den Wintern der segensreichen Ära Kreisky vor allem ein Gefühl der Benommenheit: ausgelöst von 30 Grad im Schatten. Als ich Jahre später auf Franz Kafka stieß, musste mich niemand mehr auf dessen Erzählung Der Kübelreiter hinweisen. Der Fall war klar: Sie handelte von meinem Vater.

Tiefgreifende Reform

Es folgten tiefgreifende Reformen des Heizungswesens. Ein schmucker, dumpf hallender Tank im Zimmer wurde einmal pro Winter per ehrfurchtgebietendem Schlauch mit Öl befüllt. Daraufhin verbreitete sich ein widerborstiger Geruch im Raum. Prompt musste tagelang gelüftet werden, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Kein Wunder, dass derartige Exzesse die Heizkosten empfindlich nach oben drückten. Ich plädierte für ofentechnisch inaktive Abende und begann, mir unseren Pudel als Wärmeflasche ins Bett zu holen.

Meine einzige Erinnerung an den Ölpreisschock bildet bis heute ein Aufkleber auf der Windschutzscheibe unseres Autos: "Mi" bezeichnete unseren selbstgewählten, autofreien Tag. Das hieß: Am Mittwoch musste mein Vater allen Ernstes mit der Straßenbahn zur Arbeit fahren! Diese tiefgreifende Demütigung hat er der arabischen Welt bis an sein Lebensende nicht verziehen. (Ronald Pohl, 22.6.2022)