Lehrerin Sophie Rois bringt ihrem Schüler Milan Herms mehr als das richtige Sprechen bei. Oh, là, là!

Foto: Filmladen

A E I O U – der eigenwillige Titel von Nicolette Krebitz’ neuem Spielfilm kommt kindlich und rätselhaft daher, und doch ergibt er, sobald der Film beginnt, unmittelbar Sinn. Es geht ums Sprechen: eine Erzählstimme, pointierte Dialoge, markante Stimmen, ein Übergriff in einem Hörspielstudio, ein Sprechtraining. Darin erklärt die Endfünfzigerin Anna ihrem Schüler, dass Vokale im Gegensatz zu Konsonanten frei im Brustraum, direkt am Herzen resonieren.

Anna spielt die Lehrerin mit Verve, denn sie ist Schauspielerin. Das merkt man ihr jede Sekunde an, selbst in den Gesprächen mit ihrem besten Freund und Nachbarn Michel wirkt sie so theatralisch, dass der ihr oft nicht ganz glaubt. Verkörpert wird Anna von der fabelhaften Sophie Rois, Michel von Udo Kier – selten hat man ein herzigeres Paar (das keines ist) gesehen. Und dann gibt es noch Adrian (Milan Herms), mit dem eigentlich alles anfängt.

Adrian nimmt für eine Schultheateraufführung Sprechunterricht bei Anna. Er stammt aus schwierigen Verhältnissen, er nuschelt, er ist ein Gauner und Außenseiter. Seine Kleidung, seine Brille und Jacke wirken aus der Zeit gefallen. Und so passt er optisch bereits wunderbar zu Anna, die eine Aura vergangener Größe verströmt. Wie eine angriffslustige Anouk oder Audrey sieht sie aus, schön frisiert, kerzengerade Haltung, stilvoll gekleidet bis zur Küchenschürze, aber dann auch sehr brüsk, wenn es ans Eingemachte geht – etwa wenn sie sich gegen anzügliche Kommentare aufgrund ihres Alters oder Geschlechts wehrt.

"Au revoir, Herr Kommissar"

Was zwischen Anna und Adrian als Pygmalion-Geschichte beginnt, entwickelt sich zur zarten Amour fou. Und wo liebt es sich im Kino am verrücktesten? In Südfrankreich natürlich: verschrobenes Hotel, Kasino und Krimi inklusive. Unverhohlen wühlt Krebitz in der Klamottenkiste der 60er-Jahre und zieht findig die schönsten Schmuckstücke hervor. Der Vintage-Flair setzt sich in der Inszenierung fort: im "Schönheitsfilter" und der Ausgelassenheit der Kamera, im 60s-Beat-Soundtrack und in Rois’ Erzählstimme, die in der dritten Person das Geschehen kommentiert. Das ist viel, aber sogar das "Au revoir, Herr Kommissar", funktioniert ganz wunderbar.

Obwohl die Regisseurin ihrer Leidenschaft für ungleiche Paare treu geblieben ist, kommt A E I O U um einiges leichtfüßiger daher als Krebitz’ frühere Spielfilme, Das Herz ist ein dunkler Wald und Wild. Ihr nun vierter Film sprüht derart vor Lust am Filme-anders-Machen, dass man kaum auf die Idee kommt, der rund 40 Jahre älteren Schauspielerin Anna ihre gerade mal so legale Liebe vorzuwerfen oder dem Bürschlein Adrian einen Mutterkomplex. Stattdessen kann man sich ganz einlassen auf die leichtfüßige Komödie, die mit Witz ganz nebenbei auch einen wachen Blick für die Wahrnehmung von Frauen jenseits der Wechseljahre und für die Perspektivlosigkeit so mancher Jugendlicher hat. (Valerie Dirk, 22.6.2022)