Beck (hier bei einem Auftritt in Barcelona) als Beck Spector. Am Dienstag führte er seinen weißen Zweireiher in der Wiener Arena aus.

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So wie er da auf die Bühne schlurfte, hätte er auch eine Karikatur seiner selbst sein können. Im weißen Zweireiher aus dem Jahre 1978, Pilotenbrille und der am Hinterkopf flachen, anliegenden, blonden Nichtfrisur sah er aus wie Phil Spector auf dem Weg aus dem Studio 54 nach einer langen Nacht im Tiefschnee.

Doch die zierliche Gestalt auf der Bühne brachte eine Akustikgitarre mit, trug ein Mundharmonikagestell um den Hals und war tatsächlich – Beck.

Mit einer Handvoll Akustiksongs eröffnete er am Dienstagabend ein üppiges Konzert in der Wiener Arena. Dabei hatte er mit Widrigkeiten zu kämpfen. "Ich fühle mich wie ein Barbecue", sagte er angesichts des Trockennebels, der ihm aus allen Richtungen entgegengeblasen wurde. Und dann kam es schon zu einem zärtlichen Höhepunkt, als Beck Hansen True Love Will Find You in the End spielte, den manifesten Superhit des zu früh gegangenen Trailer-Park-Tragöden Daniel Johnston.

In Omas Pullover

Bevor die vierköpfige Band des Sängers und Gitarristen aus Los Angeles ebenfalls die Bühne betrat, charmierte der noch ein wenig das Publikum. Schön sei es, endlich wieder hier zu sein, und: Heute sei der längste Tag des Jahres, also würde er ein sehr langes Konzert mit sehr viel Musik spielen. Hat er getan.

Fast 40 Songs waren es am Ende, wenngleich manche abgekürzt oder angetäuscht waren. Launige Zwischenansagen gab es gratis dazu. "Hier", immer noch im Bühnennebel, "hat es eine Luft wie in Los Angeles: eine Mischung aus Air-Freshener und Napalm", sagte er vor The New Pollution.

Die exaltierte Bühnengarderobe erinnerte zugleich daran, was den 51-Jährigen so besonders macht. Als er Mitte der 1990er auftauchte, brachte er das hingabevoll zelebrierte Elend in den Mainstream. Er war der Slacker, der Nerd, der Typ im gestrickten Wollpullover von der Oma, der plötzlich im 18-Sterne-Hotel übernachtete. Einer, der Hip-Hop mit Country kreuzte, den Blues mit Heimwerkeraufnahmen und textete, als wäre er auf LSD hängengeblieben. Das war und ist unterhaltsam.

Begnadeter Bodenkontakt

Beck landete mit Loser einen Welthit, im Video dazu sah man ihn am Breakdance scheitern, wie eine Schildkröte am Rücken am Boden verenden, doch nichts würde ihn je davon abhalten, es wieder und wieder zu versuchen. Auch an diesem Abend hatte er zumindest einmal ähnlich begnadeten Bodenkontakt.

BeckVEVO

Beck hätte eine launige Eintagsfliege sein können, ein One-Hit-Wonder, doch er blieb und wurde mit einer Haken schlagenden Karriere ein Star. Einer, der nach einem Welthit ein introvertiertes Folk-Country-Album nachlegte und damit durchkam, weil er schon mit dem nächsten, mit Odelay, wieder ein epochemachendes Werk schuf. Und das mit einer Leichtigkeit, die ihm den Ruf einbrachte, ein Wunderkind zu sein.

James Brown für Blondeure

In den letzten gut 30 Jahren ist so ein ordentlicher Katalog entstanden; einen satten Querschnitt daraus präsentierte er live. Viele seiner Songs beziehen ihre Rhythmen beim Hip-Hop, werden aber Band-tauglich hingebogen, und das Publikum war da voll dabei. Beck ist in dieser Situation ein geübter Animateur, nie zu professionell, immer selbst ein insistierender Amateur, wie ein paar James-Brown-Moves für Blondeure belegten.

Lieder wie Devils Haircut vom Erfolgsalbum Odelay gingen runter wie Cremeschnitten, doch gegen Mitte der Show beschloss Beck, sein Album Morning Phase zu würdigen. Ein Hutträger- und Folkalbum im Geiste der frühen 1970er, das leider einen Hänger hat: vom ersten bis zum letzten Lied. Das wirkte live ebenfalls nicht stimmungsfördernd, aber gut, das Bier war eh verdampft, Zeit, das zu ändern.

Nachdem die Band aus den Backstage-Tiefschlaf geholt worden war, erhöhte sich auch der Puls im Publikum wieder. Mit Songs wie Black Tambourine ging's ins Finale. Tobender Applaus und eine Zugabe, für die Beck ins Lederrockeroutfit wechselte – elend, natürlich – und in Partystimmung auf dem Freiluftgelände noch Songs wie Where It's At gab. Kein ganz großer Abend, aber einer mit einem sehr sympathischen Gastgeber. (Karl Fluch, 22.6.2022)