Nationalisten verhindern in Bosnien immer wieder die Umsetzung von Reformen. Leitragende sind die Bürgerinnen und Bürger.

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Vor dem EU-Gipfel wird über ein Signal an die Westbalkanstaaten diskutiert. Während sich Slowenien, Kroatien und Österreich dafür aussprechen, die EU-Erweiterung voranzutreiben, verweist Deutschland auf die Erfüllung der dafür notwendigen Kriterien. Zuletzt hat sich vor allem Slowenien dafür starkgemacht, auch Bosnien-Herzegowina den EU-Kandidatenstatus zu geben. Von allen sechs Westbalkanstaaten haben nur Bosnien-Herzegowina und Kosovo diesen noch nicht erhalten.

"Wir stehen zur Beitrittsperspektive aller sechs Westbalkanstaaten. Die Regierung in Bosnien-Herzegowina hat bislang aber leider keine entsprechenden Schritte gemacht, dass der Kandidatenstatus sich aufdrängen würde. So wurden weder deutliche Fortschritte bei der Umsetzung der 14 Reformprioritäten gemacht, die von der EU aufgestellt wurden, noch haben die politischen Verantwortlichen in Bosnien und Herzegowina die Finanzierung der Wahlen im Oktober sichergestellt. Wir müssen substanzielle Fortschritte sehen, denn Vertrauen allein reicht nicht aus", sagte Manuel Sarrazin, der Westbalkanbeauftragte der deutschen Bundesregierung, zum STANDARD. Ein direkter Vergleich mit der Lage in der Ukraine und Moldau ist ihm zufolge nicht zielführend.

14 Reformprojekte

Bosnien-Herzegowina stellte im Februar 2016 einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft. Die Kommission nahm ihre Stellungnahme zum EU-Beitrittsantrag im Mai 2019 an und nannte 14 Schlüsselprioritäten, die das Land erfüllen müsste. Nationalisten verhindern allerdings immer wieder die Umsetzung von Reformen. So müsste Bosnien-Herzegowina etwa in der Frage einer sogenannten europäischen Klausel eine Verfassungsänderung durchführen, weil nur der Staat als Subjekt im EU-Recht verantwortlich sein kann, und nicht Teile des Staates.

Eine weitere wichtige Verfassungsänderung für eine EU-Annäherung wäre, dass der Verfassungsgerichtshof verpflichtet wird, auf wichtige Fragen binnen kurzer Zeit, etwa innerhalb von zehn Tagen, zu antworten. Kroatische Nationalisten in Bosnien-Herzegowina haben kürzlich sogar die rechtzeitige Finanzierung der Wahlen im Oktober verhindert, sodass der Hohe Repräsentant Christian Schmidt einschreiten musste. (Adelheid Wölfl, 22.6.2022)