Mit missbräuchlichen Klagen Medien oder Aktivistinnen zum Schweigen zu bringen, das ist das Ziel sogenannter "Slapp"-Klagen.

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Den einen klagte der Leiter des Bundeskriminalamts wegen einer satirischen Kolumne, den anderen Österreichs größter Industriekonzern OMV wegen kritischer Berichterstattung, und der Dritte hat gleich mehrere Klagen mit potenziell millionenschweren Folgen am Hals: STANDARD-Kolumnist Florian Scheuba, Dossier-Chefredakteur Florian Skrabal und der ehemalige Zackzack-Chefredakteur Thomas Walach gaben Mittwoch mit ihren "Leidensgeschichten" die lebenden Anschauungsbeispiele für sogenannte Slapp-Klagen.

Um diese Einschüchterungsklagen – Slapp steht für Strategic Lawsuit against Public Participation – gegen Journalistinnen, Medien und Aktivisten ging es Mittwoch im Presseclub Concordia, dessen Rechtsdienst Mitglieder nicht zuletzt bei Slapp-Klagen berät.

Kritische Berichterstattung verhindern

Was macht eine Klage zur Slapp-Klage? Der Kläger oder die Klägerin wollen damit nicht oder nicht alleine zulässige Ansprüche durchsetzen, sagt der Jurist Walter Strobl, der den Rechtsdienst leitet. Sie verfolgten das Ziel, freie, kritische Berichterstattung zu behindern oder zu verhindern.

Die EU-Kommission hat Ende April mit einem Richtlinienentwurf und Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten Gegenmaßnahmen vorgeschlagen. Maßnahmen gegen missbräuchlich eingesetzte Gerichtsverfahren, um Meinungsfreiheit einzuschränken, und das bei Themen von öffentlichem Interesse. Passen Klagen erkennbar in diese Definition, dann sollen Betroffene nach den EU-Vorschlägen die frühzeitige Beendigung solcher Verfahren beantragen können. Sie schlägt Beteiligungsmöglichkeiten etwa von Interessenverbänden und NGOs für solche Verfahren zur Unterstützung von Betroffenen vor. Kläger könnten nach den Vorstellungen zu Sicherheiten für die von ihnen eingeklagten Summen verpflichtet werden. Und die EU empfiehlt einen einfacheren Zugang zu Verfahrenshilfe.

Verfahrenshilfe wäre "sehr zu begrüßen", sagt Medienanwältin Maria Windhager, die neben dem STANDARD etwa auch Dossier gegen die OMV vertritt und Eva Glawischnig gegen Facebook wegen Hasspostings.

Windhager zeigt sich – wie etwa auch Anwalt Alfred Noll, der auf kaum genutzte, aber teils seit dem 19. Jahrhundert vorhandene, gegen Slapps einsetzbare Paragrafen verwies, und Rechtswissenschafter David von der Thannen von der Uni Wien – "skeptisch" gegenüber der EU-Initiative, gegenüber den Definitionen und Maßnahmen. Ein Gutes habe die Initiative jedenfalls, sagt Windhager: Sie mache Slapp-Klagen zum öffentlichen Diskussionsthema.

Lieber Knie zertrümmern

Skeptisch zeigte sich bei der Tagung auch Hans Peter Lehofer, renommierter Rundfunkrechtler und Richter am Verwaltungsgerichtshof. Die Justiz bewege sich da im Spannungsfeld dreier Grundrechte – jenes auf ein faires Verfahren, Persönlichkeitsrechte und Meinungsfreiheit. "Die grundrechtliche Latte liegt sehr hoch", sagt Lehofer. Echten Rechtsmissbrauch nachzuweisen "ist wirklich schwierig". Es brauche Maßnahmen für Klagen, "die mit gutem Grund als einschüchternd wahrgenommen werden, aber noch nicht unter die Slapp-Definition fallen.

"Die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ist schon ein Fortschritt, erinnerte Lehofer: "Einschüchterung verlässt den informellen Raum – wer vor Gericht geht, hat immerhin keine russischen Kniescheiben-Spezialisten engagiert." Eine Anspielung auf eine Drohung eines Energydrink-Milliardärs gegenüber einem Journalisten.

Thomas Walach hat da andere Präferenzen: Bevor eine Slapp-Klage ein Medium wie Zackzack mit 20 Mitarbeiterinnen in den Ruin treibe, "lasse ich mir die Kniescheibe zertrümmern, das ist billiger".

Zeichen von Solidarität

Florian Scheuba hat die Klage gegen ihn wegen über Nachrede in erster Instanz gewonnen, das Verfahren geht nun in die nächste Instanz. Die OMV hat ihre existenzbedrohenden Klagen gegen "Dossier" nach öffentlicher Debatte über diese zurückgezogen, der Vorstandschef verließ das Unternehmen.

Öffentliche Debatte und Berichterstattung über Slapp-Klagen, dazu rief Florian Scheuba am Mittwoch auf in einem "Appell an die Medien im Land, ein Zeichen von Solidarität zu setzen: "Das Mindeste, was man tun sollte, ist berichten. Dann haben solche Klagen ihr wesentliches Ziel verfehlt: kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen."

Slapp-Klage wegen "Slapp-Klage"

Auch da empfiehlt sich freilich eine gut überlegte Wortwahl: Verwaltungsrichter Hans Peter Lehofer rechnet schon fix mit Klagen, die sich gegen die Bezeichnung von Klagen als Slapp-Klagen wehren.

Denn: Damit unterstellt man dem Kläger oder der Klägerin schließlich die bewusste, gezielte missbräuchliche Verwendung rechtlicher Schritte als, bildlich gesprochen, Waffe gegen freie Meinungsäußerung. (Harald Fidler, 23.6.2022)