Andreas Gabalier vor der Freiheitsstaue auf der Seebühne im burgenländischen Mörbisch. Er wird dort am 29. Juli auf seinem Bügeleisen gleiten.

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Eines muss man Andreas Gabalier wirklich zugutehalten. Er bringt einen mit seinen Liedern zum Nachdenken. Abgesehen davon, dass es im Dorf der Großmutter einen Esel gegeben hat, der vom Denken gestorben ist, bedeutet das auch dank der Lieder seines neuen Albums Ein neuer Anfang: Denken macht die Leute gescheiter, am Ende macht es die Menschen mit ihrem dauernden "Warum nur?!" aber auch traurig: "Alles steht auf Anfang / Ich frag’ mich, wo ich bin / Das Leben, das mich antreibt / Was das wohl noch bringt? / Zeit ist wie verschwendet / Auf der Suche nach dem Sinn / Im Wirbelwind des Lebens / Wieder mittendrin."

Dabei hat sich der Volks-Rock-’n’-Roller dieses Mal wirklich bemüht. Fast hoffte man schon, dass uns der mit einem Weltbild aus dem deutschen Heimatfilm ausgestattete Problembär mit dem im Zeichen von Pinkwashing stehenden Song Liebeleben endlich aus der Pflicht lässt. Die heile steile Welt zwischen Zirbenstüberl, Wildbachverbauung, Hüttengaudi, Trachtendiskonter, Schnäuztücherlkitsch, Tourismuswerbung und heteronormativem Sexismus wurde immerhin vollständig durchdekliniert. Der Mann, der einst beklagte, dass es ein "Manderl" heutzutage schwer hätte, wenn er offen bekundet, dass er "noch auf ein Weiberl steht", hat sich in jüngster Zeit ja eine ordentliche Dosis rosa Kreide als tägliche Brettljause verordnet.

Woke mit deim Popo

"Lass dich antreiben von deiner Zeit / Liebe ist, was von uns bleibt / Ob Frau und Mann oder Mann und Mann / Oder zwei Mädchen dann irgendwann / Wenn der Forrest Gump nimma laufen kann / Ist es Liebe, ist es Leben."

AndreasGabalierVEVO

Das wäre – abgesehen vom Reimzwang – laut den immer rechthabenden Verkaufszahlen offenbar für uns alle vong Toleranzfaktor her gesehen schon ziemlich nice und woke mit deim Popo. Allerdings hören wir dann auf Ein neuer Anfang auch Lieder wie das mit offener Lederhose Richtung Frontalzusammenstoß brausende Bügel dein Dirndl gscheit auf: "Super Smile, Sunshine / Hey, du machst den Anschein, als dürftest du, hu-hu-hu / Dem Bad, Bad Leroy Brown niemals in die Augen schaun / Hulapalu, amoi im Leben an deiner Seite / Mit mei’m Bügeleisen auf und niedergleiten / Fingerhut, steile Dirn / Stecknadeln, dicker Zwirn / Luftilupp, Liebelein / Unten umma frei sein."

AndreasGabalierVEVO

Die nach Bierzelt dampfende älplerische Wo-sind-die-Hände-Musik dazu wurde unter anderem in der US-Country-Hochburg Nashville aufgenommen. Die Leute dort haben zur Beruhigung für eine Neuinterpretation des Mariandl aus dem Wachauer Landl-Landl, das Guli-guli-ram-sam-sam-Kinderlied oder eine völlig unpolitisch gemeinte Ode auf Südtirol hoffentlich Drogen genommen: "Deine Wunden, schöne Stunden / Deiner Hoffnung schöner Glanz / Durch Tirol herrscht Jesu’ Feuer / Und des Hofers Freiheitskampf." Wie schlimm ist also das neue Album von Andreas Gabalier? Fragen Sie nicht. (Christian Schachinger, 24.6.2022)