In Wien-Simmering werden bereits seit 2006 Feigen angebaut.

Foto: Feigenhof/ Ursula Kujal

"Es ist nicht alles schlecht am Klimawandel", sagt Anna Faber. Die Winzerin steht im Gatsch am Rand ihrer größten Weinlage im Weinviertel. Am Vortag hat es 15 Liter geregnet, das weiß die 32-Jährige ganz genau. Auf zweieinhalb Hektar blühen im Eibesthal nun Pinot Noir, Weißburgunder, Zweigelt, Riesling und Grüner Veltliner.

In den restlichen Weingärten – insgesamt bewirtschaftet Faber eine Fläche von acht Hektar – wachsen mittlerweile auch die Rotweinsorten Merlot und Blaufränkisch gut. Vor 20 Jahren hätte niemand geglaubt, dass diese Trauben im Weinviertler Klima reifen, sagt die Winzerin. Sie versucht damit, den stetig steigenden Temperaturen positive Erträge abzugewinnen.

Seit sie das Bioweingut Faber-Köchl 2016 von ihrer Mutter übernommen hat, war Faber aufgrund des Klimawandels mit vielen Herausforderungen und bereits zwei großen Ernteausfällen konfrontiert.

Winzerin Anna Faber überlegt, den Grünen Veltliner zukünftig in frostsicheren Lagen auszupflanzen.
Foto: foto@fischerfoto.com

Während sich Merlot und Blaufränkisch in den wärmeren Temperaturen pudelwohl fühlen, kränkelt der Grüne Veltliner und damit die selbsternannte Leitrebsorte des Weinviertels.

Ein Grund ist, dass die Monate Februar und März immer wärmer werden. Sind die Temperaturen in diesen Monaten zu hoch, treiben die Reben aus und sind nicht mehr vor Frost geschützt. Laut Bauernkalender ist bis zu den Eisheiligen Mitte Mai aber mit Spätfrost zu rechnen.

Daher beginnt die Zitterpartie für Winzer und Bäuerinnen jedes Jahr aufs Neue. Denn gefrieren die Triebe, färben sie sich braun und sterben ab. 2016 und 2017 musste Faber 70 Prozent der Ernte auf ihrer größten Lage kübeln.

Pinot Noir, Zweigelt, Weißburgunder, Riesling und Grüner Veltliner konnten zum Großteil nicht nachgepflanzt werden. Wobei Faber bereits bemerke, dass die Burgundersorten Pinot Noir und Pinot Blanc besser mit der Klimaerwärmung zurechtkommen als der Grüne Veltliner.

Grüner Veltliner im Wandel

Daher muss die Winzerin neben Schädlingsbekämpfung, Stammputzen und Einstricken der Triebe, damit sie zwischen den Drähten schön nach oben wachsen, derzeit auch zukunftsweisende Entscheidungen treffen. Faber überlegt, den Grünen Veltliner an frostsicheren Standorten auszupflanzen. Das Risiko eines Ernteausfalls sei in der aktuellen Lage schlicht zu groß.

Gefährdet sei der Grüne Veltliner, auch Weißgipfler genannt, aber nicht nur aufgrund des Spätfrosts, sondern auch wegen der Hitze. Dass der frisch-fruchtige Geschmack mit Säurestruktur immer schwieriger zu produzieren ist, liegt laut Faber an heißeren Sommermonaten und einer verkürzten Vegetationsperiode.

Beginnt der Austrieb aufgrund der warmen Temperaturen bereits im Februar, rückt auch die Erntezeit nach vorn. Teilweise verschiebe sich die Lese daher vom Herbst in den Sommer, wo heiße Tage und warme Nächte den Trauben zu schaffen machen.

Konkret bedeutet das: Die Säure fällt ab, der Zuckergehalt steigt und somit der Alkoholanteil. Dadurch verändert sich der Geschmack. "Der Grüne Veltliner wird den Klimawandel zwar überleben", ist Faber überzeugt, "man muss in Zukunft aber einen anderen Stil des Weines akzeptieren."

Dürreversicherung gefragt

Die Winzerin ist nicht die Einzige, die ihre Arbeitsweise überdenken muss. Dürre, Hitze und Starkregen verändern auch den Obst- und Gemüseanbau.

Landwirte wappnen sich mit Bewässerungsanlagen, Hagelnetzen und Dürreversicherungen gegen Ernteausfälle. Letztere war laut Österreichischer Hagelversicherung in den vergangenen Jahren stark nachgefragt. Knapp 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen seien mittlerweile gegen Dürre versichert.

Auch heuer staubte der Boden auf den Feldern im März und April. "Trotzdem haben wir die Kurve fürs Erste gekriegt", sagt Klaus Haslinger von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Die Regengüsse der vergangenen Wochen konnten das Defizit, das seit Jahresbeginn vorherrschte, abfedern.

Wobei auch der Meteorologe die frühen Triebe der Reben sorgfältig betrachtet. Das frühe Austreiben führe nämlich zu einer gesteigerten Verdunstung und somit auch zu mehr Bodenaustrocknung.

An der ZAMG-Messstation in Hohenau an der March im Weinviertel, rund 30 Kilometer von Anna Fabers Rebsorten entfernt, habe die Verdunstungsleistung zwischen 1991 und 2020 um rund 90 Millimeter pro Jahr zugenommen. "Das mag im Allgemeinen betrachtet nicht viel sein", sagt Haslinger, "in einer bereits trockenen Situation ist das aber ein verstärkender Mechanismus, der Böden noch schneller austrocknen lässt."

Trockene Böden als Chance

Veränderte Bedingungen bringen aber auch neue Möglichkeiten und Chancen für die Landwirtschaft. "Der Reisanbau etwa ist ein Kind des Klimawandels", sagt Gregor Neumeyer. Seit 2015 erntet er in Gerasdorf im Bezirk Korneuburg "Österreis".

Möglich würde das aufgrund der Durchschnittstemperaturen der vergangenen 20 Jahre – Reis brauche konstant über 15 Grad – und das Trockenreisanbauverfahren. Im Gegensatz zu traditionellen Reisterrassen flutet Neumeyer seine Aussaat nämlich nicht. Sie wächst "im Trockenen". Bewässert werde nur bei Bedarf.

Gregor Neumeyer baut seit 2015 Reis in Gerasdorf an.
Foto: ÖsterReis

Der Anbau beginnt meist Anfang Mai, im September wird geerntet. Während die erste Ernte gerade einmal eine Handvoll Körner gebracht hätte, konnte Neumeyer die Erträge im Folgejahr bereits verkaufen. Heute baue er in Zusammenarbeit mit anderen Landwirten auf 65 Hektar Reis an, wobei die Erträge sehr stark schwanken.

In den vergangenen beiden Jahren etwa gab es zu viele kalte Tage, die Ernte sei daher gering ausgefallen. Dafür sehe es heuer gut aus. Neumeyer will es weiter versuchen. "Wir müssen uns an den Klimawandel anpassen", sagt er, "Landwirte können 80 Hektar große Ackerfelder schlecht einpacken und woanders aufbauen."

Sommer- versus Wintersorten

Die Anpassung betrifft auf Neumeyers Äckern in Gerasdorf nicht nur Reis, sondern seit drei Jahren auch die gänzliche Umstellung von Sommer- auf Wintergerste.

Diese Entwicklung beobachtet Agrarmeteorologe Josef Eitzinger immer häufiger. Der Grund dafür: Wintergerste, aber auch -raps und -weizen sind weniger von Trockenheit und Hitzestress betroffen als deren sommerliche Pendants. Sie werden im Herbst angebaut und nützen Wasser, das sich im Winter ansammelt, besser und reifen daher früher.

Eitzinger ist überzeugt, dass sich auch für die hiesige Landwirtschaft neue Nutzpflanzen künftig (noch) stärker etablieren werden. Darunter: Hirse, Amaranth und Sorghum, ebenfalls eine Hirsegattung. Bekannt seien die Nutzpflanzen derzeit vor allem in subtropischen Regionen in Amerika, Asien und Afrika.

Generell werde die Pflanzenzüchtung hin zu hitze- und trockenresistenten Nutzpflanzen gehen. Der Markt dafür müsse sich aber erst entwickeln.

Mut zur Feige

In Kaiserebersdorf in Wien-Simmering werden Exoten aus subtropischen und mediterranen Gebieten bereits seit 2006 eingesetzt. "Der Markt ist gesättigt mit Äpfeln und Birnen", sagt Ursula Kujal. Daher baut sie gemeinsam mit Harald Thiesz seit 2006 Biofeigen in einem nicht beheizten Gewächshaus am Feigenhof an.

Da die Nachfrage nach exotischen Früchten immer stärker gestiegen sei, wachsen dort mittlerweile auch chinesische Datteln, Maulbeeren, Oliven, Granatäpfel, Indianerbananen und Wassermelonen. Einige der Sorten sogar im Freiland. "Exotische Früchte boomen", sagt Kujal. Es habe ein Geschmackswandel stattgefunden.

Auf Ursula Kujal Feigenhof in Kaiserebersdorf wachsen neben Feigen auch andere Exoten, wie etwa Granatäpfel.
Foto: www.corn.at Heribert CORN

Freilich hat nicht nur die Nachfrage den beiden in die Handlese gespielt, sie profitieren auch vom Klimawandel. Die Feigen kommen seit rund vier Jahren um einiges besser durch den Winter, sagt Thiesz. Wobei auch die wärmeliebenden Sorten unter den teilweise starken Wetterschwankungen leiden und gestresst seien.

Hinzu kommt laut Agrarmeteorologe Eitzinger, dass sich zu den wärmeliebenden Pflanzen thermophile Schädlinge gesellen. Das seien meist Insekten, die sich vor allem bei höheren Temperaturen leichter vermehren können. Diesen müsse man entgegenwirken.

Gegen Schädlinge hat auch Winzerin Anna Faber eine Strategie. In den kommenden Jahren will sie sogenannte Piwi-Weine auspflanzen. Das sind besonders pilzresistente Züchtungen, die kaum Pflanzenschutz benötigen.

Und auch wenn sich diese Sorten erst etablieren und noch einiges an Geld und Zeit in Marketing investiert werden müsse, wie Anna Faber sagt, sei auch deren stetige Entwicklung unmittelbar mit dem Klimawandel verbunden. Es ist wohl wirklich nicht alles schlecht am Klimawandel. (Julia Beirer, 27.6.2022)