Um die fossile Energie zu ersetzen, bräuchte Europa über 36-mal so viele Windräder wie heute.

Foto: imago stock&people

Geht die Energiewende in die falsche Richtung? Mit Fragen wie diesen will ein neu gegründeter Thinktank die Debatte über die Energiewende in Österreich aufmischen. Rethink Energy Europe (REE) nennt sich die Institution, der am Donnerstag vorgestellt wurde.

Rund um den Physiker Georg Brasseur, der dem Verein vorsteht, scharen sich einige bekannte Gesichter: Mit an Bord ist etwa der Industrielle Hannes Androsch, Biontech-Mitgründer Christoph Huber, Komplexitätsforscher Stefan Thurner, Unternehmer Arthur Töni und der PR-Berater Nikolaus Pelinka.

Zwar stellte der Verein die Frage, ob die Energiewende in die falsche Richtung gehe, über die Präsentation am Donnerstag – eine Antwort gab es aber nur indirekt. REE gehe es darum, die Politik von den Fakten zu überzeugen, sagte Brasseur. Diese lauten: Selbst wenn die politischen Vorhaben noch so konsequent umgesetzt werden, werde das nicht reichen, um die Treibhausgase ausreichend zu reduzieren. Außerdem könnten einige geplante Maßnahmen, etwa der Umstieg auf Elektrofahrzeuge, teilweise zur Überlastung der Infrastruktur führen.

Europa bleibt Energieimporteur

Um den gesamten Energieverbrauch Europas zu defossilisieren, bräuchte der Kontinent 36-mal so viele Windräder oder 110-mal so viel Photovoltaikfläche wie heute. Nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energie könne die Wende deshalb nicht gelingen. "Wir müssen sparen, sparen, sparen", sagte Brasseur. Auch werde Europa langfristig wohl Energieimporteur bleiben. Dazu brauche es Verträge mit Ländern, wo Energie besonders effizient "geerntet" werden könne.

Insbesondere für sogenannte Synfuels, also synthetisch aus Strom hergestellte Treibstoffe, brauche es große Flächen, die es im dicht besiedelten Europa einfach nicht gebe, heißt es in einem Handout von REE. Diese Synfuels sollen etwa Bedarfsspitzen abfangen. Denn kein noch so starker Ausbau der erneuerbaren Energien könne verhindern, dass die Ökostromproduktion zeitweise unter den Bedarf sinkt.

Einige Gesichter von Rethink Energy Europe: Nikolaus Pelinka, Hannes Androsch, Georg Brasseur, Christoph Huber.
Foto: Manfred Thumberger

Nicht alles an Staat delegieren

Laut Brasseur fehlt der Politik ein faktenbasierter Blick auf das Thema. "Wir müssen die Politiker überzeugen, damit sie von der Ideologie wegkommen", so der Physiker. Welchen Weg die Gesellschaft einschlägt, müsse die Politik entscheiden, die Fakten aber der Wissenschaft vorbehalten werden. Er ortet etwa im grünen Klimaschutzministerium eine "Beratungsresistenz".

Mehr Fakten statt "Energiealchemie" fordert auch Hannes Androsch. Es könne nicht sein, dass er zwar einen Skilift in die Berge bauen, aber keine Photovoltaikanlage auf das Dach der Bergstation setzen darf. "Wir haben uns jahrelang behindert, blockiert und verhindert", sagt der Industrielle. Damit müsse nun Schluss sein.

Biontech-Mitgründer Christoph Huber ist bewusst geworden, dass die Gesellschaft die Wissenschaft zu wenig schätzt. Rethink Energy Europe soll nun mehr gesellschaftlichen Support schaffen – und "politische Priorisierung, die alles, was wir kennen, überschreitet". Trotzdem dürfe man nicht sämtliche Probleme an den Staat delegieren.

Konkret will die Institution auf sämtlichen digitalen Kanälen Öffentlichkeitsarbeit leisten und so "Fehler und Widersprüche in bestehenden Strategien aufzeigen", wie es in einer Pressemitteilung heißt. Außerdem soll es regelmäßig Berichte geben, etwa zu sauberem Schwerverkehr oder den Rahmenbedingungen zu Elektromobilität. Geplant ist auch ein "Davos der Energiewende", eine internationale Konferenz, die ab 2023 in Wien stattfinden soll. (pp, 23.6.2022)