Zum Abschied hat ein südkoreanischer Softwareentwickler dem Internet Explorer eine Grabstätte verpasst. Doch der Microsoft-Browser wird dem Web auch nach seinem offiziellen Ableben noch nachhängen.

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Aus heutiger Sicht mag es kaum mehr vorstellbar sein, aber: Es gab tatsächlich eine Zeit, in der sich der Internet Explorer einer gewissen Beliebtheit erfreute. Irgendwann Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts lief er dem Netscape Navigator den Rang als am meisten genutzter Browser ab. Nun mag hier die Vorinstallation unter Windows eine gewisse Rolle gespielt haben, gleichzeitig hat die weitere Geschichte des IE gut gezeigt, dass ein solch fixer Platz auch längst nicht alles ist – zum Teil hatten sich die Nutzer also durchaus bewusst für den Microsoft-Browser entschieden.

Was folgte, war eine etwas weniger würdige Entwicklung: Die Gegner besiegt, stellte Microsoft die Entwicklung seiner Software weitgehend ein. Der IE trat in die zweite Phase seiner Existenz ein, wo er sich mit all seinen nicht standardkonformen Alleingängen die Abneigung der Web-Community redlich verdiente – und diese in den Folgejahren in Scharen in Richtung Firefox und Chrome davonliefen.

Einfach nicht totzukriegen

Die einstige Dominanz hatte allerdings einen unerfreulichen Nebeneffekt: Selbst Jahrzehnte nach seiner Hochphase wird der Browser noch immer von einem gewissen Teil der Internetnutzer verwendet. Laut den aktuellen Zahlen von Statscounter sind es am Desktop weltweit noch immer 1,65 Prozent aller Internetaufrufe, die vom Internet Explorer aus erfolgen.

Insofern dürfte so mancher eine vor kurzem die Runde machende Nachricht mit Freuden aufgenommen haben. Seit dem Stichtag 15. Juni ist der Internet Explorer nämlich offiziell tot. Klingt gut, die Freude ist allerdings verfrüht – wird doch der IE dem Web wohl noch einige Jahre erhalten bleiben, nach dem offiziellen Ableben also quasi als Browser-Zombie.

Fakten

Tatsächlich brachte der 15. Juni das offizielle Support-Ende für – fast – alle verbliebenen Nutzer. Konkret wurde die verbliebene Unterstützung für den IE11 unter Windows 10 eingestellt. In den kommenden Monaten sollen die restlichen User nun auf den Nachfolger Edge und dessen IE-Kompatibilitätsmodus verwiesen werden, während der IE gar ganz auf den betroffenen Systemen deaktiviert wird.

Genau hier findet sich aber auch der entscheidende Hinweis darauf, dass der IE mit all seinen Sicherheitsproblemen die Computerwelt wohl noch weiter plagen wird. Wird doch die ihm zugrunde liegende Rendering Engine MSHTML sehr wohl noch weiter gepflegt – und zwar nach aktuellem Stand bis zumindest 2029.

Realität

Genau das heißt aber auch, dass der Sicherheitsgewinn durch das Aus für den IE ziemlich überschaubar ist, wie Sicherheitsforscherin Maddie Stone von Googles Project Zero betont. MSHTML sei nämlich weiterhin ein sehr beliebtes Ziel für Angreifer. Alleine im Jahr 2021 seien drei Zero-Day-Exploits – also Angriffe, die zuvor unbekannte Lücken ausnutzen, um ein System zu übernehmen – in MSHTML bekannt geworden. Nur eine der entsprechenden IE-Lücken sei nicht in MSHTML gewesen, insofern dürfte sich durch die aktuellen Maßnahmen am Bedrohungsszenario wenig ändern.

Die Verankerung der Rendering Engine in Windows nutzen Angreifer, um etwa über manipulierte Office-Dateien auf einen Rechner zu gelangen. Die Zahl der im IE gefundenen Zero-Day-Lücken ist übrigens seit Jahren stabil, er bleibt in Relation weiter ein äußerst beliebtes Ziel für Angreifer. Das mag auch daran liegen, dass er schon jetzt deutlich schlechter und langsamer gewartet wird als moderne Browser wie Chrome oder Firefox – und das dürfte mit der aktuellen Änderung kaum besser werden.

Stück für Stück

Bleibt die Hoffnung, dass das offizielle Support-Ende zumindest die verbliebenen "echten" IE-Nutzer vertreibt. Das könnte allerdings auch länger dauern als erhofft. Denn so unvorstellbar dies für Außenstehende auch scheinen mag, tatsächlich kommt der Internet Explorer noch immer für so manche interne Unternehmensanwendung zum Einsatz. So soll laut einem Bericht von Nikkei rund die Hälfte sämtlicher japanischer Unternehmen noch immer vom veralteten Microsoft-Browser abhängig sein – was bei diesen nun zu einer dezenten Panik führt.

Tatsächlich bietet Microsoft übrigens noch die eine oder andere Ausnahme von seinem Support-Ende. Neben dem erwähnten Kompatibilitätsmodus im Edge ist es auf noch älteren Windows-Versionen mit Langzeitsupport für Unternehmen sehr wohl weiterhin möglich, den gerne als "besten Browser zum Herunterladen von Chrome und Firefox" titulierten IE zu verwenden. Im Jahr 2029 darf dann aber wohl endgültig auf das Ende vom Ende vom Ende des Browser-Zombies angestoßen werden. Wahrscheinlich. (Andreas Proschofsky, 24.6.2022)