Kopf in den Trichter: Die meterhohe Installation bezieht sich auf eine Idee der Ortners aus den 1980er-Jahren.

Foto: Michael Maritsch

Hatte man einmal die schmale Stiege erklommen, musste man nichts weiter tun, als den Kopf durch die Öffnung zu stecken – und den Blick gen Himmel richten. Das zumindest war die Idee des Projekts Blaue Scheibe, das die Brüder Laurids und Manfred Ortner 1986 entwarfen: Ein Konstrukt hätte auf dem ungenützten Platz vor der Hamburger Kunsthalle errichtet werden sollen. Realisiert wurde die städtische Skulptur jedoch nicht, wie die meisten ihrer Baukunstmodelle aus den 1960er- bis 1980er-Jahre.

Später als Architekturbüro Ortner & Ortner und seit 2011 als O&O Baukunst bekannt, schufen die 1941 respektive 1943 in Linz Geborenen ab den späten 60er-Jahren als Haus-Rucker-Co experimentale Raumprojekte sowie "provisorische Architektur" für den öffentlichen Stadtraum. Das Francisco Carolinum in Linz widmet sich mit der auf zwei Etagen gezeigten Retrospektive bis übermorgen dem Lebenswerk der beiden – von ersten visionären Konzepten bis zur Dokumentation heute prägender Gebäude wie dem Alexander Tower in Berlin oder den Museen im Wiener Museumsquartier. Für die lange geplante Ausstellung wurden nun insgesamt sieben großformatige Objekte der Brüder neu gebaut – und stehen exemplarisch für unterschiedliche Kapitel ihres Schaffens.

Oasen und Möbel für die Stadt

So greift die Idee des Trichters die Blaue Scheibe auf, spinnt sie weiter und vereinfacht sie architektonisch: 1986 für die künstlerische Umgestaltung der Universität Oldenburg gedacht, steht nun ein meterhoher helloranger Trichter (siehe Bild) im Ausstellungsraum. Das Wahrnehmungsspiel (mit Kopf- oder Körpereinsatz) findet sich bereits in ganz frühen Modellen: Bei Oase im Kopf dient ein quadratischer Glashelm samt Begrünung und Bewässerung als sinnliches Naturerlebnis.

Das "Gekippte Tor" stand hingegen 1976 in einer ähnlichen Version am Wiener Naschmarkt.
Foto: Michael Maritsch

In diesem frühen Kapitel prägten die Ortner-Brüder den Begriff der "Zweiten Natur", womit sie artifizielle Natur wie Parks oder Gärten im urbanen Umfeld bezeichneten. Die Frage lautete: Warum sollte man diesen Charakter des künstlichen Habitats verschleiern und nicht einfach offen darlegen und sogar betonen, sagt Kuratorin Michaela Seiser. Stets bildete die Stadt Ausgangspunkt und Austragungsort ihrer Baukunst, ihr Ansatz war – und ist es nach wie vor –, ungenützte Fläche nutzbar zu machen und zu beleben.

Ein Beispiel dafür ist das Gekippte Tor, das Laurids und Manfred Ortner 1976 tatsächlich in Wien aufstellten: Auf einer brachen Zwischenfläche am Naschmarkt installierten sie ein Portal, das den Platz in zwei Hälften teilte, eine dunkle und eine helle. Wie all diese absichtlich temporären "Städtischen Möbel" verschwand das Tor nach einer Zeit wieder. Im Francisco Carolinum steht nun ein adaptierter Nachbau samt Vögeln (siehe Bild), Zeichnungen erinnern an das Original.

Idealisiert und realisiert

Mit ihrem architektonischen Beitrag Ideales Museum nahmen die Ortners 1987 sogar an der Documenta 8 in Kassel teil. Das Modell im Maßstab 1:5 zeigte damals einen Museumsbau, der sich aus variablen Containern beliebig erweitern ließ und somit gänzlich an den Bedarf sowie die ausgestellte Kunst anpasste.

Der zweite Teil der Linzer Ausstellung befasst sich mit den späteren Bauprojekten der Architekten. Neben Kreidezeichnungen von geplanten Gebäuden formen sich Modelle in schlichten Vitrinen zur Trophäen-Allee: ein sich erst im Bau befindliches Wohnbauprojekt am Berliner Gleisdreieck oder die Sächsische Landesbibliothek. Und natürlich auch die in Österreich bekannteste Umsetzung: die Gestaltung des Wiener Museumsquartiers, die 2001 fertiggestellt wurde. Umrankt von den kolossalen Museumsbauten des Mumok und des Leopold-Museums sowie auch der Kunsthalle schufen die Brüder eine zentrale Piazza zum Verweilen. Den Aufbau der Libelle auf dem Dach des Leopold-Museums fügten sie 2020 hinzu, die Lichtkreise von Brigitte Kowanz (siehe unten) sind quasi das Sahnehäubchen. (Katharina Rustler, 25.6.2022)

"bis übermorgen. Laurids Ortner & Manfred Ortner. Von Haus-Rucker-Co zu O&O Baukunst" im Francisco Carolinum, bis 7. 8.