Fans jubeln während des Konzerts von Nico Santos auf der Hauptbühne.

Foto: APA/Florian Wieser

Extase, Ausgelassenheit und gute Stimmung: Dafür ist das Wiener Donauinselfest bekannt. Mit stillen Momenten wird es gemeinhin weniger in Verbindung gebracht. Und doch gab es beim Auftakt der 39. Ausgabe, die am Freitag über die Bühne ging, zumindest den Versuch dazu. Kurz vor 22 Uhr wurde im Gedenken an das Kriegsgeschehen in der Ukraine innegehalten – mit einem Handy-Lichtermeer vor allen elf Bühnen, als Zeichen der Solidarität.

Ansonsten präsentierte sich das Donauinselfest ganz so, wie man es kennt. Nachdem das Spektakel in den vergangenen beiden Jahren wegen Corona nur in stark reduzierter Version stattfinden hatte können, wird es heuer in gewohnter Manier ausgetragen: mit 600 Stunden Programm an drei Tagen bei freiem Eintritt. Auf eine Masken- oder Testpflicht hat die Wiener SPÖ, ihres Zeichens Veranstalterin des Großevents, verzichtet. Stattdessen setzt man auf die viel zitierte Eigenverantwortung und rief die Gäste auf, sich im Vorfeld freiwillig auf Corona zu testen.

Und so fühlte sich das Fest am ersten Tag tatsächlich so an wie früher. Zum klassischen gegerbten Inselpublikum gesellten sich Anhänger von bunter Bowle aus überdimensionalen Gefäßen, von Fake-Fußballtrikots an Ramsch-Ständen und von sehr unterschiedlicher Musik. Die Bereiche vor den Bühnen, auf denen Schlager bis K-Pop dargeboten wird, begannen sich am Abend zu füllen. So gut, dass im Publikum vermehrt die traditionellen "Wir stehen von der Bühne aus gesehen rechts"-Telefongespräche zu hören waren. Es wurde getanzt und geklatscht.

Gegen Abend begann sich die Donauinsel mit Besucherinnen und Besuchern zu füllen.
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Angesichts der steigenden Infektionszahlen ein Wagnis? Jedenfalls nicht aus Sicht von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der den Nachmittag für einen ausgedehnten Spaziergang auf der Insel genutzt hatte. Corona sei nicht vorbei, man habe daher mit Fachleuten ein Sicherheitskonzept erarbeitet, sagte er. Wo es gehe, solle Abstand gehalten werden, zudem könne jede und jeder Maske tragen.

Landesparteisekretärin Barbara Novak pflichtete Ludwig bei: "Wir wollen zeigen, dass Großveranstaltungen auch unter schwierigen Bedingungen möglich sind." Das Fest finde immerhin Outdoor statt, es erneut abzusagen, wäre nur auf wenig Akzeptanz gestoßen, zeigte sie sich überzeugt.

Heimspiel für Bürgermeister Ludwig

Bürgermeister Ludwig hat sicherheitshalber zwei Masken mitgebracht, wie er sagte. Und neben der Landesparteisekretärin Novak war auch SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner sowie fast alle übrigen Mitglieder der Stadtregierung mit dabei. Verkehrsstadträtin Ulli Sima fehlte, weil sie sich von einer Corona-Infektion erholt.

SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi Wagner und ihre Wiener Parteikollegen Bürgermeister Michael Ludwig und Landesparteisekretärin Barbara Novak.
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Ludwig schüttelte Hände, posierte bereitwillig für Selfies und gab sich dem Donauinselfest-Leben hin. In einem Container, der in einem von der Gewerkschaft bespielten Bereich aufgestellt ist, ließ er sich bereitwillig den Blutzucker messen. "Der Bürgermeister lebt", scherzte er, als er wieder herauskam. Weiter ging es zum Stand der Stadtgärtner und der Müllabfuhr – ein Heimspiel für Ludwig.

Wenig Berührungsängste zeigte er auch gegenüber den etwas ungewöhnlicheren Festgästen: Beim Stand der Wiener Gewässerabteilung ging der Wiener Stadtchef mit einer lebendigen Ringelnatter und einer Erdkröte auf Tuchfühlung. Ob das der spannungsmäßige Höhepunkt des Tages war? "Das wird sich noch zeigen", sagte Ludwig.

Headliner Nico Santos

Das diesjährige Programm kann zumindest als Versuch gewertet werden, so etwas wie Aufgeregtheit entstehen zu lassen. Nachdem das Angebot in den vergangenen zwei Jahren auf heimische Künstlerinnen und Künstler beschränkt war, sind heuer wenigstens ein paar internationale Acts zu sehen – zum Beispiel der deutsche Singer-Songwriter Nico Santos, Headliner des Freitags auf der Hauptbühne. Zuvor hatten die österreichische Band Edmund und die Sängerin Mathea das Publikum aufgewärmt.

Sängerin Mathea und die Band Edmund bereiteten das Publikum auf Headliner Nico Santos vor.
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Die Zeit des großen Staraufgebots auf der Insel scheint ohnehin vorbei: Highlights der diesjährigen Ausgabe sind die Austropop-Urgesteine Stefanie Werger und Peter Cornelius, der österreichische Popmusiker Mavi Phoenix und der deutsche Hip-Hopper Jan Delay.

Ein bis zwei tödliche Unfälle pro Fest

Von der Neuen Donau aus hat die Wasserpolizei das Treiben auf der Insel im Blick. Sie ist alle drei Fest-Tage durchgehend mit drei Booten und bis zu 15 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Der Erfahrung nach muss sie in dieser Zeit sechs- bis 15-mal ausrücken, weil Personen vermisst werden, sagte Leiter Erich Kraus am Freitag im Gespräch mit dem STANDARD. In der Regel würden die Gesuchten wieder auftauchen, aber in ein bis zwei Fällen pro Fest geht die Sache weniger glimpflich aus: "Jedes Jahr enden beim Donauinselfest ein bis zwei Badeunfälle tödlich."

Die Polizei meldete keine dramatischen Zwischenfälle.
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Am Freitag ereignete sich ein Zwischenfall: Ein Mann musste reanimiert und ins Krankenhaus gebracht werden. Diesen hätte man auf der Straße gefunden, sagte Erwin Scheidl, Einsatzleiter des Samariterbund, zur "APA". Ob die Reanimation erfolgreich war, wisse man nicht. Darüber hinaus vermeldete der Samariterbund 20 Interventionen wegen Insektenstichen, Hitze- oder Kreislaufbeschwerden. Die Polizei berichtete von keinen dramatischen Einsätzen.

Leichtsinn, Übermut und Alkohol seien in der Regel die Ursache für gröbere Vorkommnisse, sagte Wasserpolizei-Chef Kraus. "Aber gemessen daran, dass an den drei Tagen rund drei Millionen auf die Insel kommen, passiert wenig." Das liege auch daran, dass – anders als etwa bei einem Fußballspiel – alle Gäste dasselbe Interesse haben: "Nach zwei Jahren endlich wieder Konzerte sehen." (Stefanie Rachbauer, 24.06.2022)