Bernhard Raubal, der "Rebell" von Garmisch-Partenkirchen.

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Aktivisten und Aktivistinnen mit den Masken der G7-Regierungschefs.

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"Komm rein, ich bin ganz friedlich", sagt Bernhard Raubal und lacht. Der Maurermeister mit den schwarzen Locken winkt aus seinem verwunschenen Garten mitten im Ort. Das Gras ist hoch, unter dem Apfelbaum steht ein Bobbycar, an der Wand lehnen Fahrräder.

Nach Unfrieden sieht hier nichts aus, aber Raubal weiß natürlich, welcher Ruf ihm vorausgeht. Als "Rebell von Garmisch-Partenkirchen" gilt er den Medien und im Ort selbst scheint ihn auch jeder zu kennen. "Ach, der Raubal", sagen die Leute. Viele lächeln, manche aber verdrehen die Augen.

"Elitärer Zirkel, der die Welt regieren will"

Der heute 55-Jährige macht etwas, was ihm viel Anfeindung brachte: Er stellt seine 6.800 Quadratmeter große Wiese am Flüsschen Loisach für das Protestcamp der Gegnerinnen und Gegner des G7-Gipfels zur Verfügung. Normalerweise wächst dort Gras, das dann für Kühe und Schafe gemäht wird. Während des Treffens der Staats- und Regierungschefs der sieben wirtschaftsstärksten Industrienationen im nahegelegenen Schlosshotel Elmau jedoch schlagen dort rund 750 Kritikerinnen und Kritiker des Treffens ihre Zelte auf. "In diesem Land gibt es ein Recht auf Demonstrationsfreiheit, daher will ich den Menschen eine Plattform geben", sagt Raubal – zumal er auch aus zwei Gründen kein Freund des Kreises der G7 ist. "Das ist ein elitärer Zirkel, der die Welt regieren will" meint der 55-Jährige.

Das passt ihm nicht und noch weniger gefällt ihm, was er seit Wochen täglich vor seiner Haustür sieht: Unzählige Polizeiautos, Hubschrauber, die über den Bergen kreisen, Einschränkungen für die Bewohnerinnen und Bewohner. "Wir werden alle zum Spritsparen aufgerufen. Aber was dieser Gipfel kostet, ist ein Irrsinn", ärgert sich der vierfache Vater. Rund 180 Millionen Euro wurden an Steuergeldern veranschlagt. Raubals Vorschlag: Eine Videokonferenz. Die wäre nicht nur billiger, sondern auch transparenter.

2015, als die G7-Gruppe auf Einladung von Kanzlerin Angela Merkel zum ersten Mal im Schlosshotel Elmau tagte, waren Videokonferenzen noch nicht en vogue. Das Treffen missfiel Raubal aber damals schon. Und dann hörte er wie in den Wochen davor schlecht über die Demonstranten geredet wurde. Viele in Garmisch-Partenkirchen fürchteten sich vor Ausschreitungen und wollten die Gegnerinnen und Gegner nicht im der Gemeinde haben. Raubal kam zu Ohren, dass Bauern überlegten, ihre Felder mit Gülle vollzupumpen, um sie unbrauchbar zu machen. "Was ist das für eine Demokratie?" hat er wütend gedacht, Kontakt zum Organisationsteam aufgenommen und ihnen schließlich seine Wiese verpachtet.

Man habe ihn spüren lassen, dass er dies besser nicht getan hätte, erzählt er. "Raubal, du Drecksau", hat jemand an den Stadel bei der Wiese gesprüht. "Aber, sagt er und muss heute noch lachen, "das war gar nicht mein Stadel." Zur Sicherheit schickte die Polizei damals drei Mal am Tag eine Streife bei ihm und seiner Familie vorbei.

Merkwürdigkeiten vor Genehmigung

Einfach war es auch für die Organisatoren des Camps damals nicht. Erst kurz vor dem Gipfel erfolgte die endgültige Genehmigung. Und auch sieben Jahre später berichtet Raubal über Merkwürdigkeiten. Lange sei entlang der Zufahrt jede Menge Schwemmholz gelagert worden. So viel, dass man fürchten musste, dass nichts für ein Camp herbei transportiert werden könne. Als das Holz dann doch verschwand, hieß es plötzlich, ein Viertel seiner Wiese sei möglicherweise als Biotop auszuweisen. Aber daraus wurde dann im letzten Moment auch nichts.

Und so konnten am Freitag die ersten Zelte aufgebaut werden. Raubal ist zufrieden: "Die Wiese ist mein Eigentum, ich kann damit machen, was ich will. Außerdem brauchen die Demonstranten Unterstützung. Sie setzen sich für Klimaschutz und Frieden ein. Das tun sie ja für uns alle." Nur Quartier wolle ihnen niemand geben – außer ihm.

Zahlen nennt Raubal nicht, aber er macht klar: Reich wird er mit der Verpachtung seiner Wiese nicht: "Das ist mehr eine symbolische Sache." 2015 staunte er schon ein wenig, als er sein Stück Land, nachdem das Camp wieder abgebaut worden war, zurückbekam: "Da lag nicht ein Zigarettenstummel oder ein Stück Papier. Alles war picobello in Ordnung." Man könnte also ein richtiges Business aus der Verpachtung machen: G7-Gipfel 2015, G7-Gipfel 2022, G7-Gipfel 2029. Doch dazu wird es nicht kommen. "Ich hoffe", sagt Rauball, "dass dieses Treffen hier das letzte in der Gegend war." (Birgit Baumann aus Garmisch-Partenkirchen, 25.6.2022)