Zehntausende Georgier hoffen auf eine Zukunft in der EU.

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Tiflis – Zehntausende haben in Georgien am Schwarzen Meer für einen EU-Beitritt der Südkaukasusrepublik demonstriert. Rund 120.000 Menschen forderten am Freitagabend in der Hauptstadt Tiflis zugleich den Rücktritt von Regierungschef Irakli Garibaschwili. Seine Regierung habe sich nicht ausreichend dafür eingesetzt, dass Georgien EU-Beitrittskandidat werde, berichteten georgische Medien.

Die Organisatoren der Proteste vor dem Parlament verlangten demnach eine Übergangsregierung. "Wenn die Regierung den Willen des georgischen Volkes nicht hören will, werden wir (...) ihr die Wut des georgischen Volkes zeigen, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hat", rief ein Redner bei der Protestaktion.

Große Proteste bereits am Montag

"Wir, das georgische Volk, fordern den Rücktritt von Irakli Garibaschwili und die Bildung einer neuen Regierung, die alle von der EU verlangten Reformen umsetzt", sagte einer der Organisatoren der Kundgebung. "Wir geben der Regierung eine Woche Zeit, die Forderungen zu erfüllen", fuhr er fort, während die Demonstranten "Rücktritt" skandierten. Erst am Montag hatten Demonstranten mehr Anstrengungen für einen EU-Beitritt gefordert.

Für den 3. Juli kündigten die Organisatoren eine weitere Massenkundgebung an, die erst enden soll, "wenn die oligarchische Herrschaft beseitigt ist" – eine Anspielung auf Ex-Regierungschef Bidsina Iwanischwili. Iwanischwili ist der reichste Mann Georgiens und gilt in der Regierungspartei als starker Mann hinter den Kulissen, obwohl er offiziell keine politische Rolle mehr spielt.

Videobotschaft von Selenskyj

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich während der Proteste mit einer Videobotschaft an die Menge und sagte: "Wir sind freie Menschen, freie Länder und werden immer frei bleiben. Die Ukraine wird Georgien helfen, den Weg nach Europa zu gehen." Die Ukraine und Georgien stünden für immer zusammen, sagte er unter dem Beifall der Menge.

Am Donnerstag hatte die EU auf einem Gipfeltreffen in Brüssel die Ukraine und Moldau zu EU-Beitrittskandidaten erklärt – Georgien hingegen nicht. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte erklärt, die EU sei grundsätzlich auch bereit, Georgien den Kandidatenstatus zu geben. Allerdings müssten dafür in dem Land noch eine Reihe von Reformen umgesetzt werden. Garibaschwili erklärte, seine Regierung wolle die EU-Anforderungen rechtzeitig erfüllen, "damit wir den Kandidatenstatus sobald wie möglich erhalten".

Das Land hatte Anfang März einen Antrag in Brüssel eingereicht. "Die Bewerbung für eine EU-Mitgliedschaft ist ein weiterer Meilenstein auf Georgiens Weg der europäischen Integration", hatte Garibaschwili gesagt. (APA, 25.6.2022)