Papst Franziskus und Erzbischof Vincenzo Paglia, Präsident der päpstlichen Akademie für das Leben.

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Papst Franziskus verglich 2019 im Zuge der Abtreibungsdebatte in seinem Heimatland Argentinien Abtreibung als "Auftragsmord" – ein Jahr später wurde sie dort legalisiert. Wenig überraschend kam daher der Zuspruch aus dem Vatikan zu dem soeben in den USA gekippten Abtreibungsrecht. Der Beschluss des Obersten Gerichtshofes sei eine starke Aufforderung, gemeinsam über die dringende Frage der menschlichen Generativität nachzudenken, sagte Erzbischof Vincenzo Paglia, Präsident der päpstlichen Akademie für das Leben. Auch die katholische US-Bischofskonferenz begrüßte das Urteil vom Freitag und sprach laut Kathpress von einem "historischen Tag im Leben unseres Landes".

Rechte für Ungeborene, keine für Frauen

Seit fast 50 Jahren gelte in Amerika ein "ungerechtes Gesetz", das es einigen ermöglichte zu entscheiden, "ob andere leben oder sterben können"; diese Politik habe zum Tod von zig Millionen Ungeborenen geführt. Generationen sei das Recht verweigert worden, überhaupt geboren zu werden, heißt es in einer Erklärung des Vorsitzenden, Erzbischof Jose Gomez, und von Erzbischof William Lori, Vorsitzender des Ausschusses für Pro-Life-Aktivitäten.

Die Wahrheit, dass alle Menschen in Amerika mit gleichen gottgegebenen Recht auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück geboren seien, sei durch das Urteil "Roe vs. Wade", das die "Tötung unschuldiger Menschen legalisierte und normalisierte, schmerzlich geleugnet" worden. "Wir danken Gott heute, dass das Gericht diese Entscheidung nun aufgehoben hat." Man bete dafür, dass die gewählten Amtsträger nun Gesetze und Richtlinien erlassen, "die die Schwächsten unter uns fördern und schützen", so der Erzbischof von Los Angeles und der Erzbischof von Baltimore.

Verweis auf Martin Luther King

Auch San Franciscos Erzbischof Salvatore Cordileone begrüßte die Entscheidung als "historisch". "Der Bogen der Geschichte ist lang, aber er beugt sich der Gerechtigkeit", zitierte er den Bürgerrechtler Martin Luther King. Das Urteil wäre nicht zustande gekommen ohne 50 Jahre "geduldiger, liebevoller und harter Arbeit von Menschen aller Glaubensrichtungen", so der Erzbischof. "Aber unsere Arbeit hat gerade erst begonnen."

Bischof Donald Hying von Madison erklärte: "Nach fast einem halben Jahrhundert staatlich legalisierter Abtreibung, mehr als 65 Millionen verlorener kostbarer Leben und unzähligen anderen, die in der Folge tiefe Schmerzen und Leiden ertragen mussten", sei die Entscheidung eine lang erwartete Antwort auf Gebete von Millionen. "Sie bietet uns große Hoffnung auf ein tieferes Aufblühen der Menschenwürde."

"Unterstützung" für Frauen

Der Präsident der päpstlichen Akademie für das Leben erklärte in einem Kommentar zum Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA. "Es ist eine Zeit, in der Wunden geheilt und soziale Spaltungen überwunden werden müssen; es ist eine Zeit des Nachdenkens und des zivilen Dialogs und des Zusammenkommens, um eine Gesellschaft und eine Wirtschaft aufzubauen, die Ehen und Familien unterstützt und in der jede Frau die Unterstützung und die Mittel hat, die sie braucht, um ihr Kind mit Liebe auf die Welt zu bringen", hieß es in der Mitteilung der päpstlichen Akademie.

"Die Stellungnahme des Gerichtshofs zeigt, dass die Frage der Abtreibung weiterhin eine hitzige Debatte auslöst. Die Tatsache, dass ein Land mit einer langen demokratischen Tradition seine Position in dieser Frage geändert hat, ist eine Herausforderung für die ganze Welt. Es ist nicht richtig, dass das Thema ohne eine angemessene Gesamtbetrachtung auf Eis gelegt wird", hieß es weiter.

Paglia fordert "unideologische Debatte"

Der Schutz und die Verteidigung des menschlichen Lebens sei keine Angelegenheit, die auf die Ausübung individueller Rechte beschränkt bleiben könne, sondern sei von umfassender gesellschaftlicher Bedeutung. "Nach 50 Jahren ist es wichtig, eine unideologische Debatte über den Stellenwert des Lebensschutzes in einer Zivilgesellschaft zu eröffnen, um uns zu fragen, welche Art von Zusammenleben und Gesellschaft wir aufbauen wollen", hieß es.

"Es geht darum, politische Entscheidungen zu treffen, die lebensfreundliche Lebensbedingungen fördern, ohne in ideologische Vorurteile zu verfallen, das heißt auch, eine angemessene Sexualerziehung zu gewährleisten, eine für alle zugängliche Gesundheitsversorgung sicherzustellen und gesetzliche Maßnahmen zum Schutz der Familie und der Mutterschaft vorzubereiten, um bestehende Ungleichheiten zu überwinden", heißt es in der Erklärung.

"Wir brauchen eine solide Unterstützung für Mütter, Paare und das ungeborene Kind, die die gesamte Gemeinschaft mit einbezieht und Müttern in Schwierigkeiten die Möglichkeit gibt, die Schwangerschaft fortzusetzen und das Kind denjenigen anzuvertrauen, die das Wachstum des Kindes gewährleisten können", hieß es weiter. (red, APA, 25.6.2022)