Nach dem Terroranschlag in Oslo fand am Sonntag ein Gedenkgottesdienst statt.

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Oslo – Nach einem möglicherweise islamistisch motivierten Terroranschlag ist in Oslo mit einem Gottesdienst der Opfer gedacht worden. "Wir haben uns in Trauer, Verzweiflung und Ohnmacht versammelt", sagte Dekanin Anne-May Grasaas am Sonntag bei der Messe im Dom der norwegischen Hauptstadt, wie die Zeitung "Verdens Gang" berichtete. Bei dem Anschlag waren zwei Menschen getötet und mehr als 20 verletzt worden.

Grasaas sagte, mit dem Anschlag sei auch die Vielfalt angegriffen worden, die sich das Land erkämpft habe. Während Kronprinz Haakon dem Gottesdienst wegen eines positiven Corona-Tests fernblieb, reihte sich Kronprinzessin Mette-Marit in den Kreis der Trauernden ein. Auch Ministerpräsident Jonas Gahr Støre und weitere Politiker nahmen teil. "Dies rüttelt unsere ganze Gesellschaft auf", sagte eine Vertreterin der Kirche, Kristin Gunleiksrud Raaum, NRK zufolge. "Alle von uns, die queer sind, müssen nun von allen anderen Solidarität und Unterstützung erfahren."

Ministerpräsident Jonas Gahr Støre (von rechts) sowie Kronprinz Haakon und Kronprinzessin Mette-Marit gedachten der Opfer.
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In Österreich hatte sich am Samstag Bundespräsident Alexander Van der Bellen "tief betroffen" gezeigt. Es handle sich um eine Angriff "auf unschuldige Menschen" sowie "auf unsere Art zu leben und zu lieben und auf unsere liberale Demokratie", schrieb der Bundespräsident auf Twitter. Betroffen zeigten sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Oppositionsführerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). "Jeder Mensch hat das Recht, zu lieben", betonte Nehammer. Rendi-Wagner sprach von einem "feige(n) Angriff auf unsere gemeinsamen Werte und unser Miteinander".

Beliebter Treffpunkt der LGBT-Szene

Der Nachtclub "London Pub" – das Hauptziel der Angriffe – gilt in Oslo als beliebter Treffpunkt für Schwule, Lesben und andere Angehörige der queeren Szene (LGBT). Auf der eigenen Internetseite beschreibt sich der Club als beste "Gay Bar" der Stadt und "Schwules Hauptquartier seit 1979". Viele feierten dort ins Wochenende hinein: Am Samstag hätte in Oslo nach Absagen wegen der Corona-Pandemie erstmals wieder eine riesige Pride-Parade stattfinden sollen – sie fiel jetzt wieder aus und soll zu einem anderen Zeitpunkt nachgeholt werden.

Blumen und Regenbogenfahnen wurden vor dem Tatort abgelegt.
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Bei dem Angreifer, den die Polizei kurz nach der Tat mithilfe von Zivilisten festnahm, soll es sich um einen Norweger mit iranischen Wurzeln handeln. Am Samstagnachmittag wurde er erstmals verhört. Er sei misstrauisch gegenüber der Polizei, sagte sein Verteidiger John Christian Elden danach dem Sender NRK. Man müsse vorsichtig mit Spekulationen sein, was das Motiv angehe. Auch der mentale Gesundheitszustand des Verdächtigen soll untersucht werden.

Eigentlich gilt Norwegen als friedliches Land. Doch der rechtsextrem motivierte Terroranschlag vor elf Jahren auf Utøya mit 77 Todesopfern hat eine tiefe Wunde in das Gefühl der Sicherheit gerissen. Wieder einmal sei das Land von einer brutalen Attacke auf Unschuldige getroffen worden, sagte Regierungschef Støre am Samstag und versicherte der queeren Gemeinschaft: "Wir stehen an eurer Seite." Umringt von einer großen Menschentraube legten er und Kronprinz Haakon gemeinsam am Tatort Blumen nieder. Das Glockenspiel des Rathauses spielte "Somewhere over the Rainbow". (APA, 26.6.2022)