Ana Marwan gewann den Bachmannpreis mit ihrem Text "Wechselkröte".

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Eine einsame Frau irgendwo in einer ländlichen Gegend Niederösterreichs. Die Besuche des Briefträgers und Gärtners sind die größten Sensationen ihres Lebens. Blusen bestellt sie sich im Onlineshop nur, damit sie den Postler in immer neuen Oberteilen am Fenster empfangen kann. Sonst ist nämlich nichts los. Der Pool im Garten lockt nur Gelsen und Kröten an.

Ana Marwan dekonstruiert in ihrem am Sonntag zum Siegertext des heurigen Bachmannpreis-Lesens gekürten Beitrag Wechselkröte jegliche Landidylle. Mit wohldosiertem Witz kratzt sie sich zudem an romantischen Ideen von Mutterschaft. Nicht nur beim Publikum kam das sofort an, von Anfang an galt sie auch als eine der Favoritinnen der Jury.

Marwan weiß, wovon sie schreibt. 1980 in Murska Sobota in Slowenien geboren, lebt sie seit fast 20 Jahren in Österreich, seit 2018 mit ihrem Mann in der Gemeinde Wolfsthal in Niederösterreich zwischen Wien und Bratislava. Sie war immer ein Stadtmensch, erklärte sie nach dem Gewinn. Insofern sei die Übersiedlung aufs Land für sie erst "sehr schön" gewesen, mit der Zeit aber auch "gewöhnungsbedürftig" geworden. Daraus hat sie für den Text geschöpft, ebenso Details sind autobiografisch. Auch sich empfindet Marwan als "Eremitin". Insofern kostete sie die Teilnahme in Klagenfurt Überwindung.

Freiheit in fremder Sprache

Nach Österreich kam Marwan mit einem Studium der Literaturwissenschaften in der Tasche, in Wien legte sie Romanistik nach. Deutsch hatte sie in der Schule, auf Deutsch literarisch geschrieben hatte sie aber nie. 2008 gewann ihre Kurzgeschichte Deutsch nicht ohne Mühe den Exilliteraturpreis Schreiben zwischen den Kulturen. Die fremde und nicht vorgeprägte Sprache gibt ihr eine gewisse Freiheit. Die schafft sie sich auch, indem sie keine zeitgenössische Literatur liest: um unbeeinflusst zu sein.

2014 verlegte sich Marwan ganz aufs Schreiben. Das Debüt Der Kreis des Weberknechts (Otto-Müller-Verlag) über einen Einsiedler erhielt 2019 viel Lob. Zu ihrem Werk gehören Kurzgeschichten, Romane und Gedichte auf Deutsch sowie Slowenisch. Ihren zweiten Roman Zabubljena über eine Frau in einer Anstalt hat Marwan in ihrer Muttersprache verfasst.

In beiden Sprachen bedankte sie sich denn auch für den Preis. Und war etwas sprachlos. Sie habe nicht mit dem Sieg gerechnet. Lesestoff folgt. Derzeit arbeitet sie an einem neuen Roman, zudem soll Zabubljena bald ins Deutsche übersetzt werden. (Michael Wurmitzer, 27.6.2022)