Harry Bergmann wundert sich im Gastblog darüber, dass der Impfpflicht nicht einmal das in Österreich erstrebenswerteste Ende des irdischen Daseins zuteil wird, eine "schöne Leich" zu sein.

Es gibt Sätze aus der Werbung, die sprichwörtlich geworden sind. Zum Beispiel dieser, der vor vielen Jahren helfen sollte, Bausparverträge zu verkaufen: "Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig darauf schaut, dass man's hat, wenn man's braucht." Aber: Quod licet Bausparvertrag, non licet Impfpflichtgesetz.

Die Geschichte dieses Gesetzes ist wie ein Kreisverkehr ohne Ausfahrt und kann österreichischer nicht sein. Gegen jede politische Vernunft wird das Gesetz im Nationalrat durchgeboxt, dann findet sich keiner, der es kontrollieren und exekutieren will, dann legt man es in eine Schublade, um es nur im absoluten Notfall scharf zu stellen, dann rollt die erste Corona-Sommerwelle an – und die pandemiegeeichteste aller Regierungen erkennt sofort den schlechtesten Moment, um das Gesetz aus der Schublade zu nehmen und möglichst öffentlichkeitswirksam zu entsorgen.

Natürlich ist die Impfpflicht heute sinnloser denn je. Einerseits gibt es rund 15 Prozent der Bevölkerung, die sich unter keinen Umständen impfen lassen werden, und andererseits ist es in der Zwischenzeit leider klar, dass man auch als dreimal Geimpfter krank werden und – wenn es ganz blöd rennt – einen schweren Verlauf haben kann. Der Schreiber dieses Narrenkastls weiß, wovon er redet.

Angst vor Stimmenverlusten

Aber deshalb muss man sich von der Regierung nicht für blöd verkaufen lassen. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Die Grünen) sagt nicht die Wahrheit, wenn er meint, dass der Grund für das Ende der Impfpflicht die Spaltung der Gesellschaft sei. Noch schlimmer wäre nur, wenn er tatsächlich glaubt, was er sagt. Der Grund ist nicht ein Grund, es sind viele Gründe – und die sind sogar einem Narren wie mir klar. Zu den Rücktritten, Rechnungshofberichten, Inflationswellen, Umfragetiefs und Korruptionsermittlungen braucht man ein Gesetz, das einem noch die letzten Wähler vergrault, wie einen Kropf.

Was den Spalter der Gesellschaft betrifft, braucht Rauch übrigens nicht lange zu suchen: Es ist die Regierung selbst. Wenn man das Vertrauen in die Führung verloren hat, rennt halt jeder und jede in die Richtung, von der er oder sie glaubt, dass es die richtige sei. Rauch sagt, es braucht Mut, ein Gesetz zu kippen. Jeder, der schauen kann, sieht aber nichts als die Angst vor weiteren Stimmenverlusten.

Die Rechnung wird nicht aufgehen: Die MFG oder wie die nächsten Querulanten auch immer heißen werden werden trotzdem Stimmen dazugewinnen. Denn auch das ist Österreich. Es wird immer einen Grund geben, "dagegen" zu sein. Wenn nicht den einen Grund, dann eben den nächstbesten.

Der Narr aber wird sich, wie gewünscht, auf seine Eigenverantwortung besinnen, sich eine vierte Impfung holen, Maske tragen, wo es ihm sinnvoll erscheint, größere Menschenansammlungen meiden und sich weiterhin von den meisten als ausgemachter Paranoiker schief anschauen lassen. (Harry Bergmann, 27.6.2022)