Das Prozedere, wie man an einen Abstellplatz für sein Rad kommt, klingt herrlich unkompliziert: Man muss nur den Fahrradparkplatz per E-Mail bei der Behörde beantragen – und kann sich wenige Wochen später über einen Abstellbügel freuen, der auf einem bis dahin für Autos vorgesehenen Parkplatz errichtet wurde. So beschrieb es der Wiener Daniel Bleninger vor einigen Wochen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter – und erhielt viel Resonanz darauf. Sogar in Deutschland wurde diskutiert, wie fahrradfreundlich Wien sei.

Unzählige Anfragen von Radbegeisterten trudelten bei der MA 28, der Magistratsabteilung für Straßenverwaltung und Straßenbau, ein. "Die Abteilung hat gestöhnt", schmunzelt Martin Blum, Wiens Fahrradbeauftragter, im Gespräch mit dem STANDARD. Zwar sei es jederzeit möglich, sich mit Namen, Adresse und gewünschtem Standort, im Idealfall mit Skizze, zu melden. Ob die Bewilligung und Errichtung aber erfolge, sei von mehreren Faktoren abhängig. Etwa davon, ob und wie viele Abstellmöglichkeiten im Umkreis vorhanden sind. Verantwortlich dafür sei der Bezirk, in dessen Hand die Finanzierung liege.

Überfüllte Radabstellplätze in Wien – in vielen Bezirken ist das sichere Abstellen von Fahrrädern vor allem im Sommer ein Problem.
Foto: STANDARD/Siebert

Die Debatte im sozialen Netzwerk hat aber deutlich gezeigt: Die Nachfrage nach mehr oder besseren Abstellmöglichkeiten ist immens. Man braucht nur mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen. Überfüllte Fahrradparkplätze sind vor allem in der warmen Jahreszeit an vielen Ecken Wiens vorzufinden. Die Problematik betrifft sowohl den öffentlichen Raum als auch Wohnhäuser. In den vielen Wiener Altbauten sind oft keine Fahrradräume vorgesehen, sie nachträglich einzubauen ist meist ein Ding der Unmöglichkeit.

Einfach zu erreichende Abstellanlagen sind eine der wichtigsten Voraussetzungen, um den Radverkehr in Ballungszentren zu forcieren. Das ist auch den Verantwortlichen in Wien bewusst. "Wir versuchen, der Nachfrage als Stadt gerecht zu werden", sagt der Fahrradbeauftragte Blum. Was das Abstellen im öffentlichen Raum betrifft, verweist er darauf, dass Wien in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut habe, jährlich kommen tausende Plätze dazu. Stand 2021 gab es 56.688 Radstellplätze in Wien, 2010 waren es 27.249. Nicht zu vergessen aber, dass in diesem Zeitraum auch die Bevölkerung enorm gewachsen ist – von 1,7 auf 1,9 Millionen Menschen.

Wiener Bügel

Zum Einsatz kommt in den meisten Fällen der Wiener Bügel, der unter diesem Namen auch im Ausland bekannt ist. Es handelt sich um ein umgekehrtes U, das fest in den Boden geschraubt ist. Weil die Flächen auf Gehsteigen allmählich ausgeschöpft sind, werden immer öfter auch Autoparkplätze umgewidmet. Am Wiener Bügel kann das Fahrrad am Rahmen befestigt werden und ist damit felgenschonend abgesperrt und zugleich am ehesten sicher vor Diebstahl.

Dass Fahrräder aber nach wie vor gestohlen werden, zeigt die Statistik. Mehr als 7500 Fahrräder wurden im vergangenen Jahr in der Bundeshauptstadt als gestohlen gemeldet. Laut der Mobilitätsorganisation VCÖ ist das immerhin ein konstanter Wert.

Fahrradgaragen als Alternative

Städte wie Utrecht im Fahrradvorzeigeland Niederlande setzen auf Fahrradgaragen. Im Zentrum der Stadt bietet eine Garage auf drei Ebenen Platz für 12.500 Räder. Sie ist rund um die Uhr geöffnet und wird bewacht. Das Abstellen ist in den ersten 24 Stunden gratis, danach wird eine geringe Gebühr verlangt.

Blum verweist auf die Fahrradgarage am Wiener Hauptbahnhof, wo noch Plätze frei sind. Sie richtet sich etwa an Einpendler, die das letzte Stück des Weges mit dem Rad zurücklegen. Die Jahresgebühr beträgt 75 Euro.

"Freiwillige Investition" im Altbau

Was das Abstellen von Rädern in Wohnhäusern betrifft, kennt die Verkehrsplanerin Andrea Weninger die Herausforderungen. Zwar wurde in der Novelle der Wiener Bauordnung 2018 eine Mindestanzahl für Fahrradabstellplätze in neu errichteten Wohngebäuden festgelegt. Pro 30 Quadratmeter Wohnnutzfläche muss es einen Stellplatz geben. Für Gebäude im Altbestand gibt es aber keinerlei Verpflichtung, nachträglich Abstellplätze einzubauen. Für Hausverwaltungen und Eigentümerinnen handle es sich um eine "freiwillige Investition". Das Rad im Stiegenhaus abzustellen sei möglich, es dürfe aber keine Einschränkung des Fluchtweges geben, und das Rad müsse gesichert werden, damit es nicht umfällt.

Weningers Firma Rosinak & Partner ZT GmbH berät bei der Planung von Fahrradabstellmöglichkeiten auf Privatgrund. Von der Stadt Wien gibt es dazu auch Förderungen (siehe Wissen unten). Wichtiger Punkt ist laut Weninger die barrierefreie Erreichbarkeit ohne Stiegen und schwere Türen. Von Hängesystemen rät sie ab, da diese nicht angenommen werden. Sie empfiehlt Absperrmöglichkeiten wie den Wiener Bügel, wo das Rad am Rahmen gesichert wird und nicht am Reifen. Fahrradräume würden oft zu klein dimensioniert, in der Planung mitgedacht gehören auch Fahrgassen, damit man zu seinem Rad kommt, ohne zuerst "Fahrradleichen" aus dem Weg räumen zu müssen.

Interaktive Karte

Die Radlobby fordert eine Leitstelle Fahrradparken, die Zielwerte definiert, den Bedarf erhebt und ein jährliches Monitoring durchführt. Kürzlich präsentierte der Verein eine Onlinekarte, die zeigt, wie weit der nächste Radbügel vom aktuellen Standort entfernt ist. In den Außenbezirken gibt es Aufholbedarf.

Daniel Bleninger freut sich heute noch, dass sein Tweet eine Debatte nach sich gezogen hat. "Viele nehmen Stadtplanung als gegeben hin und sind erst draufgekommen, dass man selbst auch Forderungen stellen kann", zieht er Resümee. Auch wenn es keinen Rechtsanspruch auf einen Parkplatz fürs Fahrrad im öffentlichen Raum gebe, Ansuchen müsse die Behörde zumindest prüfen. (Rosa Winkler-Hermaden, 28.6.2022)