Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), damals Innenminister, inszenierte die sogenannte Operation Luxor einst noch mit bewaffneten Einsatzkräften.

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Erneut setzt es einen Rückschlag für eines der derzeit umstrittensten Ermittlungsverfahren Österreichs: die Operation Luxor. Diesmal betrifft es die beiden Sachverständigen, den Historiker Heiko Heinisch und die Politikwissenschafterin Nina Scholz. Die beiden wurden vor etwa zwei Jahren von der Staatsanwaltschaft Graz damit beauftragt, ein Gutachten über die Muslimbruderschaft zu verfassen. Jene Zeilen spielten dann auch in der Anordnung für die dutzenden Razzien gegen angebliche Muslimbrüder und Mitglieder der terroristischen Hamas eine wesentliche Rolle. Durchgeführt wurde die Operation Luxor am 9. November 2020 von hunderten schwerbewaffneten Exekutivkräften.

Nun wurden Heinisch und Scholz als Sachverständige für das Ermittlungsverfahren ihres Amtes enthoben. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Graz (OLG) hervor, der dem STANDARD vorliegt. In den vergangenen eineinhalb Jahren beschwerten sich immer mehr Beschuldigte über die beiden Gutachter. Die Vorwürfe lauteten seit jeher: mangelnde Sachkunde und Befangenheit. Die Staatsanwaltschaft Graz hält die beiden Autoren Heinisch und Scholz ganz offensichtlich für ausgewiesene Experten auf dem Gebiet des sogenannten Politischen Islam. Ende September vergangenen Jahres scheiterten die Beschwerden noch am Entscheid des Grazer Landesgerichts.

Eine Fernsehdiskussion als Auslöser

Monate später muss in der Causa nun nach zumindest einem neuen Sachverständigen gesucht werden. Das liegt vor allem an dem Fall eines Beschuldigten. Dieser führte in seiner Beschwerde eine Fernsehdiskussion aus dem Jahr 2017 ins Treffen. Da wurde dieser nicht nur von Heinisch explizit erwähnt, wie es aus darin zitieren Textpassagen hervorgeht. Der spätere Gutachter sprach auch davon, dass sich jener Mann als wahrscheinlich Einziger in Österreich offen dazu bekenne, ein Kader der Muslimbruderschaft zu sein. Daher könne er keinen Betreiberverein eines Kindergartens führen, da die Bruderschaft eine islamistische Organisation sei und obendrein Kontakte zu terroristischen Organisationen habe.

Aus Sicht des Gerichts könnten durch den Auftritt allerdings Zweifel aufkommen, ob Heinisch "tatsächlich völlig neutral" gegenüber dem Beschuldigten eingestellt sei. Zumal im späteren Gutachten zur Operation Luxor die Stellung des Beschuldigen "als wesentlicher Indikator dafür herangezogen wird, die jeweilige Einrichtung als Ableger der Muslimbruderschaft bzw. als Teil ihres Netzwerks zu bezeichnen". Daher sei der "äußere Anschein der Befangenheit" von Heinisch "zu bejahen", wie es im Beschluss heißt. Vom Beschluss umfasst ist auch Heinischs Kollegin Scholz. Gegen die Entscheidung, die stellvertretend für alle Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer stehe, sei kein weiterer Rechtszug möglich.

"Etwas bizarr"

Und was sagen die betroffenen Gutachter zu alldem? Die Politikwissenschafterin Nina Scholz äußerte sich bereits in einem langen Facebook-Posting zu dem Beschluss des Oberlandesgerichts. Demnach habe Heinisch in der Fernsehsendung nur wiedergeben, was der Beschuldigte in einem Interview mit einem ägyptischen Fernsehsender 2013 von sich selbst behauptet habe. Jenes Gespräch sei auch als Quelle im Gutachten angegeben worden. Scholz findet es zudem "etwas bizarr", dass sie ebenfalls als Sachverständige abberufen wurde, obwohl ihr keine mangelnde Sachkenntnis und Befangenheitsgründe attestiert worden seien. Sie habe lediglich das Gutachten mit Heinisch verfasst.

"Denkt man die Begründung des OLG konsequent zu Ende, stellt sich die Frage, ob nur Wissenschaftler/innen als Sachverständige infrage kommen, die sich zuvor nie öffentlich zu Strukturen und Proponenten der Muslimbruderschaft in Österreich geäußert haben?", schreibt Scholz weiter. "Das kann wohl kaum der Fall sein, denn keine Expertin und kein Experte werden sich in der Vergangenheit nur heimlich mit dem Thema befasst haben." Scholz glaubt daher nicht, dass es für das Gericht leicht sein werde, neue Sachverständige zu finden, die einerseits Expertise auf diesem Gebiet aufweisen und sich andererseits in der Vergangenheit noch nie zu einem der Beschuldigten der Operation Luxor geäußert hätten, "und zwar weder negativ noch positiv, denn Befangenheit bezieht sich nicht nur auf kritische Äußerungen, sondern auf alles, was mangelnde Neutralität bedeuten könnte".

In der Operation Luxor wird gegen etwa 100 Beschuldigte ermittelt. Nach eineinhalb Jahren zeichnete sich bisher allerdings noch kein großer Ermittlungserfolg ab. Eine Anklage wurde bisher noch gegen keinen der Beschuldigten erhoben. (Jan Michael Marchart, 27.6.2022)