Laut dem Meteorologen Mattia Gussoni wird sich die extreme Trockenheit vor allem im Norden, in der Toskana, im Latium, in Apulien und in Kalabrien noch verschlimmern.

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Rom – Italien will wegen der anhaltenden Dürre den Ausnahmezustand ausrufen. So könnte zur Eingrenzung der negativen Auswirkungen der Trockenheit das Wasser auch tagsüber rationiert werden, sagte Zivilschutzchef Fabrizio Curcio dem TV-Sender Sky Tg 24 am Montag. In mehreren Landesteilen wird das Wasser bereits in der Nacht abgestellt.

"Die Situation ist im ganzen Land schwierig. Es gibt besonders betroffene Gebiete wie die Ebene des Flusses Po, die östlichen Alpen und einige Regionen in Mittelitalien. Das Problem ist jedoch auf gesamtstaatlicher Ebene verbreitet", erklärte Curcio. Der Po, der mit seinen über 600 Kilometer der längste Fluss Italiens ist, hat einen historisch tiefen Wasserstand erreicht.

Andauernde Hitze und Brände

In diesem Jahr seien die Niederschläge um 50 Prozent geringer im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen Jahren gewesen, bei den Schneefällen betrage der Rückgang sogar 70 Prozent. Die Folgen der Wasserknappheit seien gravierend für die Landwirtschaft, für die Fischerei und für die Stromproduktion, erklärte Curcio.

Auch Brände belasteten das Land. Seit dem 15. Juni seien über 200 Brände gemeldet worden, im Vergleichszeitraum 2021 waren es 80 und im Jahr 2020 nur 30. "Wenn Brände bei so starker Trockenheit ausbrechen, ist der Kampf gegen die Flammen besonders schwierig", so Curcio. Besonders betroffen ist die süditalienische Region Apulien. 250 Hektar wurden von einem Brand nördlich der Hafenstadt Bari zerstört.

Die Hitzewelle wird in Italien wohl noch mindestens zehn Tage lang andauern, warnen Meteorologen. Mindestens bis zum 4. und 5. Juli soll der afrikanische Hochdruck anhalten, mit einigen vereinzelten Gewittern nur in den Alpen und im Nordwesten. Im Mittelmeerraum wurden bereits fünf Grad Celsius über dem Durchschnitt gemessen. Für mindestens zehn Tage werden keine nennenswerten Niederschläge erwartet, erklärte der Meteorologe Mattia Gussoni. Die extreme Trockenheit, die vor allem im Norden, in der Toskana, im Latium, in Apulien und in Kalabrien herrscht, werde sich noch verschlimmern.

Ventilatoren statt Klimaanlagen

Doch zeitgleich mit der anhaltenden Hitze treffen Italienerinnen und Italiener hohe Energiepreise. Statt teurer Klimaanlagen besorgen sich Italienerinnen und Italiener mehr einfache Ventilatoren. Beim Verkauf von Ventilatoren stellte der Großhandel ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr fest. "Die Italiener wollen die Kosten eingrenzen, auch in Sachen Stromkonsum und bevorzugen Ventilatoren", berichtete Giorgio Panizza, Aufsichtsratsmitglied der norditalienischen Supermarktkette "Il Gigante".

Die Italiener lassen sich den Kampf gegen die Hitze etwas kosten. Resultat: Um die Situation erträglicher zu machen und Abkühlung zu finden, greifen die schweißgeplagten Menschen tief in die Tasche und investieren vor allem in Mineralwasser, Erfrischungsgetränke, Eis und Obst.

Beliebtes Obst

Beim Konsum von Mineralwasser wurde seit Mai ein Plus von 30 Prozent gemeldet. "Normalerweise verkaufe ich an unsere Kunden etwa drei Kisten Wasser pro Woche. Jetzt ist der Verbrauch auf zwei Kisten pro Tag gestiegen", sagt ein Mailänder Cafe-Besitzer. Dabei haben die Italiener ohnehin schon den größten Mineralwasserverbrauch in Europa.

Die Hitzewelle treibt auch den Konsum von Obst wie Wassermelonen und Pfirsiche in die Höhe. Der Landwirtschaftsverband Coldiretti meldete ein Plus von 20 Prozent beim Obstkonsum. Besonders gefragt sind Wassermelonen, Pfirsiche und Kirschen. 108 Euro pro Monat gibt jeder Italiener durchschnittlich für Obst aus. Sechs Millionen Tonnen Obst werden jährlich im Land konsumiert. Belastet ist die italienische Landwirtschaftsproduktion jedoch von der anhaltenden Trockenheit, den steigenden Energiekosten, sowie den hohen Preisen für Dünger, berichtete der Landwirtschaftsverband. (APA, wisa, 28.6.2022)