Wladimir Kuznetsow (li.) and Alexej Stoljarow bei einer Buchpräsentation im Jahr 2017.

Foto: Reuters/SERGEI KARPUKHIN

In der Causa Fake-Klitschko ist eine heiße Spur aufgetaucht. Zwei russische Comedians reklamieren die jüngsten gefälschten Anrufe bei europäischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern gegenüber dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" nun für sich. Dem Bericht zufolge stecken Wladimir Kusnezow und Alexej Stoljarow, in Russland bekannt unter ihren Künstlernamen Wowan und Lexus, hinter der Aktion.

Wie berichtet, haben unter anderem Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und seine Berliner Amtskollegin Franziska Giffey (SPD) vor kurzem vermeintlich mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko teils längere Video-Calls geführt. Letzterer dementierte dies später aber.

Nahe lag, dass die Politikerinnen und Politiker einem Deepfake aufgesessen sind, es gab aber auch Argumente dagegen. Ein Deepfake erlaubt es jedenfalls, mithilfe alter Videoaufnahmen und künstlicher Intelligenz das Gesicht von Personen für gefälschte Videos zu missbrauchen.

Stoljarow: "Es war leicht"

Der ARD sagte Stoljarow in einem Telefonat nur so viel: "Ich will nicht verraten, wie wir es angestellt haben, aber es war leicht." Er und sein Kollege wollen nun Videoaufzeichnungen aller "Scherze" ins Netz stellen. Eine erste Veröffentlichung haben sie für Donnerstag angekündigt. Die beiden sind auf dem Portal Rutube, einer Art russischem Youtube, aktiv. In dem Clip soll es um Geflüchtete aus der Ukraine gehen und wie die europäischen Politikerinnen und Politiker über sie denken.

Damit könnte genau das eintreten, was das Büro von Bürgermeister Ludwig bereits befürchtet hatte. Selbst habe man die Unterredung, die am 22. Juni stattfand, nicht aufgezeichnet, sagte zuletzt ein Sprecher Ludwigs. Aber man könne natürlich nicht ausschließen, dass die Anrufenden dies getan hätten.

Ludwig und der Anrufer hätten in dem Videocall jedenfalls über ukrainische Geflüchtete gesprochen, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Bürgermeisterbüro. Und zwar im Hinblick darauf, wie die Stadt diese unterstütze.

Der "Presse" sagte Stoljarow vor rund einem Jahr in einem Interview über vergleichbare Aktionen in der Vergangenheit, lediglich "ein bisschen Schminke" und "die richtige Beleuchtung" verwendet zu haben, mehr sei da nicht gewesen. Zuvor habe er Mimik und Gestik der imitierten Personen genau studiert.

Angaben nicht überprüfbar

Wie glaubwürdig Stoljarows Aussagen zu den jüngsten Fake-Anrufen sind, ist schwer einzuschätzen. Belege für seine Behauptungen – etwa E-Mails zur Anbahnung des Gesprächs – legte er der "ARD" nicht vor.

Für seine Darstellung spreche, dass er und Kusnezow laut Medienberichten schon zahlreiche westliche Prominente, Politikerinnen und Politiker mit vergleichbaren Anrufen hereingelegt haben. Demnach fielen zum Beispiel der französische Präsident Emmanuel Macron und der Sänger Elton John auf das Duo herein.

Auf Twitter machte sich Stoljarow außerdem zuletzt über Michael Ludwig lustig. Mit "lol" kommentierte er einen Tweet, in dem der Wiener Bürgermeister wegen des Fake-Anrufs veräppelt wurde.

Instrument Putins?

Stoljarow und Kusnezow wird aufgrund der Auswahl ihrer Opfer und der Tonalität ihrer "Scherze" jedenfalls vorgeworfen, ein Instrument des Kreml oder der Geheimdienste zu sein. Der ARD zufolge wurde das Duo Anfang Juni in Moskau bei einer Preisverleihung geehrt. Die Auszeichnung überreichte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums. Sie bezeichnete die beiden dabei als "Meister der Telefondiplomatie" – mitten im Krieg. Die Comedians bestreiten die Vorwürfe.

Stoljarow und Kusnezow bezeichnen sich in ihren Twitter-Profilen übrigens als Prankster. Pranks sind ein eigenes Genre in den sozialen Medien: Videomacherinnen und Videomacher spielen anderen Personen dabei einen Streich und filmen dies.

Nachdem bekannt geworden war, dass Ludwig offenbar in eine Falle getappt ist, haben das Innenministerium und der Staatsschutz weitere Details aus dem Rathaus eingefordert, um den Vorfall aufzuklären. Aus dem Bekenntnis der beiden Russen würden sich keine neuen Handlungsnotwendigkeiten ergeben, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Bürgermeisterbüro.

Das Innenministerium teilt auf Nachfrage mit, dass das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Abstimmung mit dem Staatsschutz ermittle. Nähere Informationen könne man dazu aber nicht geben. (Stefanie Rachbauer, 29.6.2022)