Wie lässt sich ein toxisches Arbeitsumfeld verbessern?

ÖFI-Direktor Roland Teichmann denkt über Verschärfungen nach.

Foto: Hans Punz/APA

In den USA und Kanada wurde die Frage bereits vor fünf Jahren diskutiert: Mit der MeToo-Debatte anlässlich des Falles Harvey Weinstein stand eine ganze Branche unter Verruf. Es galt, möglichst energisch gegen sexuelle Belästigung, Missbrauch und Übergriffe bei Filmproduktionen vorzugehen. Eine der ersten Veränderungen war es vielerorts, einen "code of conduct" einzuführen, der die Verhaltensregeln am Filmset klar definiert und das Bewusstsein für Grenzüberschreitungen schärft.

Mit der durch die Regisseurin Katharina Mückstein auf Instagram initiierten MeToo-Diskussion ist die Frage nach Gegenmitteln nun auch in Österreich akut: Wie lässt sich ein toxisches Arbeitsumfeld verbessern und wie wirksam gegen Täter einschreiten? Ein "Code of Ethics" findet sich auf der Homepage des Österreichischen Filminstituts (ÖFI) zwar bereits seit September vergangenen Jahres, allerdings dürfte dies in vielen Köpfen noch nicht angekommen sein. Unter Punkt vier, "Professionelles Verhalten", werden etwa Handlungen wie Mobbing, diskriminierende Witze oder "unerwünschte sexuelle Aufmerksamkeit" als No-Gos definiert.

Ende der "Schweigekultur"

Wie bringt man die Branche dazu, diesen Kodex auch zu leben? ÖFI-Direktor Roland Teichmann plant nach der massiven Welle einschlägiger Erfahrungsberichte aktuell zwar noch keine Schritte, will sich jedoch auch nicht mit der hiesigen "Schweigekultur" abfinden, die es Betroffenen so schwer macht, aus der Deckung zu kommen. Er könne sich vorstellen, den ÖFI-Verhaltenskodex vertraglich fix zu verankern, sagt er auf STANDARD-Anfrage. Im äußersten Fall drohten den Produktionen dann bei einem Regelbruch Sanktionen, die bis zur Rückzahlung der Förderung reichen könnten.

"Einen Schritt, der offenbar notwendig scheint", nennt dies Iris Zappe-Heller, die am ÖFI mit Gender-Angelegenheiten betraut ist. Das Bewusstsein, wann Regeln übertreten werden, die strafbar sind, sei in der Branche offenbar immer noch zu gering: "Wir müssen viel klarer kommunizieren. Man muss den Fördernehmern auch die Verantwortung gegenüber ihren Dienstnehmern bewusst machen." Denkbar ist auch die bereits vom Schwedischen Filminstitut eingeführte Praxis, Filmteams hinkünftig verpflichtend einem Training für ethisches Verhalten zu unterziehen und daran Förderzusagen zu knüpfen.

Zu "juristische Interventionen" verhelfen

Das Frauennetzwerk FC Gloria fordert in seinem jüngsten Newsletter eine Vernetzung der Branche, von Fördergebern und Beratungsstellen, um weitere strukturelle Schwachstellen aufzuspüren. Hingewiesen wird dort auch auf den wichtigen Punkt der "juristischen Intervention", das wirksamste Mittel gegen Täter, das in Österreich selten zur Anwendung kommt. Namen kursieren auch aktuell wieder nur hinter vorgehaltener Hand. Betroffene lassen sich einschüchtern oder fürchten die finanziellen Risiken einer Anzeige.

Die für FC Gloria tätige Produzentin Ebba Sinzinger plädiert daher für Schaffung eines Fonds, der Opfer finanzielle Unterstützung gewährt. Dieser könnte etwa an die Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt im BMKÖS, die im Herbst ihre Arbeit aufnehmen soll, angebunden werden. Für Oktober plant FC Gloria überdies einen Diskussionssalon, in dem es dann um weitere komplexe Fragen gehen soll: etwa jene, wie eine Produktion damit verfährt, wenn gegen ein Teammitglied relevante Vorwürfe in der Vorbereitung oder erst in der Verwertung bekannt werden. (Dominik Kamalzadeh, 30.6.2022)