Manche Menschen wirken auf Gelsen attraktiver als andere. Dabei spielen offenbar auch einige Krankheiten eine Rolle, die von Viren ausgelöst werden, demonstriert eine Studie.
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Oft verbindet einen mehr mit unliebsamen Zeitgenossen, als man wahrhaben möchte. Selbst Stechinsekten haben Präferenzen bei der Nahrungswahl – und lassen sich vor allem von Gerüchen leiten, die Menschen und andere Säugetiere an ihre Umwelt abgeben. Wer besonders häufig gestochen wird und sich damit tröstet, "süßes Blut" zu haben, dürfte einen besonders attraktiven Chemiecocktail an Gelsen transportieren.

Neben Kohlenstoffdioxid, das wir ausatmen, sind es etwa Milchsäure und Ammoniak, die sich auf der menschlichen Haut beim Zersetzen von Schweiß bilden können und die Insekten anziehen. Eine weitere chemische Verbindung fügt nun ein chinesisches Forschungsteam der Liste hinzu: Es fand heraus, dass Menschen mit bestimmten Virusinfektionen einen Stoff absondern, der sie bei Moskitos beliebter macht. Die Studie erschien im Fachjournal "Cell".

Lockstoff aus Früchten

"Moskitos verlassen sich auf ihren Geruchssinn, um Wirte zu erkennen", sagt Gong Cheng, Infektionsbiologe an der Tsinghua-Universität in Peking und leitender Wissenschafter des Projekts. "Zu Beginn dieser Studie stellten wir fest, dass die Mücken bevorzugt Dengue- und Zika-infizierte Mäuse aufsuchen und an ihnen saugen." Wie bei Stechmücken üblich, sind es die Weibchen, die stechen – um sich fortzupflanzen und Eier zu produzieren, müssen sie Blut zu sich nehmen und gelangen so an wichtige Proteine.

Warum aber bevorzugten die Moskitos im Experiment Mäuse und auch Menschen, die mit Zika- und Dengue-Viren infiziert waren? Das fanden die Forschenden in einem weiteren Schritt heraus. Sie gewannen von den Betroffenen Geruchsproben und stellten fest: Ein Stoff namens Acetophenon steckte dahinter, der bei den Infizierten in unerwartet hoher Konzentration vorkam. Acetophenon kommt natürlicherweise in verschiedenen Obstsorten vor, etwa in Bananen, Äpfeln und Marillen, zudem in Käse, Karfiol und Rindfleisch. Abseits der Speisekarte findet man die chemische Verbindung auch beispielsweise in natürlichen und künstlichen Harzen.

Bakterien auf der Haut

In weiterer Folge konnte das Forschungsteam sogar feststellen, auf welche Weise die Flaviviren – zu denen Zika und Dengue gehören – den Spiegel dieses Lockstoffs erhöhen. Es handle sich um "ein ausgeklügeltes Zusammenspiel zwischen der Hautmikrobiota der Wirte, den Flaviviren und den Moskitos", schreiben die Fachleute. Die Viren unterdrücken in den betroffenen Zellen die Produktion eines Proteins. Wenn dieses Protein fehlt, können sich auf der Haut Bakterien vermehren, die besonders viel Acetophenon produzieren.

Somit werden wiederum mehr Stechmücken angelockt – auch solche, die die Viren noch gar nicht selbst in sich tragen. Doch sobald sie einen wohlriechenden Wirt anzapfen, kann der Erreger auch in ihren Körper gelangen. Eine ausgetüftelte Strategie der Viren, die bei ihrer Verbreitung hilft.

Lage bei Gemeiner Stechmücke unklar

Das kann für infizierte Menschen mit schwerem Krankheitsverlauf verheerende Folgen haben. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Gebieten, in denen Dengue-Fieber auftreten kann. Oft verläuft eine Infektion ohne Symptome; bricht die Krankheit aus, ähnelt sie häufig einer heftigen Grippe. Es können aber auch innere Blutungen auftreten und zu einem lebensgefährlichen Verlauf beitragen. Bei der Zika-Virus-Infektion, die ebenfalls durch einen Gelsenstich hervorgerufen werden kann, sind die Symptome meist etwas milder, aber auch sie können vor allem Vorerkrankte und Schwangere gefährden.

Für die Studie konzentrierte sich das Forschungsteam auf die Interaktion mit Ägyptischen Tigermücken, die auch als Gelbfieber- oder Denguemücken bezeichnet werden und diese Krankheiten hauptsächlich übertragen. Auch die Gemeine Stechmücke, die zu den häufigsten Arten in Europa zählt, könnte von Acetophenon angezogen werden – die Studienlage ist aber nicht eindeutig. Mittlerweile kommen auch die Ägyptischen Tigermücken aus Afrika und die Asiatischen Tigermücken immer öfter in Südeuropa vor. Sie wurden durch Menschen verbreitet. Durch die Klimakrise und die steigenden Durchschnittstemperaturen fühlen sich die Insekten in immer mehr Regionen wohl.

Umstrittene Versuche

Ob auch andere Viren dazu beitragen können, dass Infizierte für Stechmücken attraktiver riechen, wurde nicht untersucht. Das Forschungsteam stellte allerdings fest, dass ein Medikament gegen starke Akne den Lockstoff zurückdrängte, zumindest bei der Anwendung an Mäusen. Infektionsbiologe Cheng will in künftigen Studien das Mittel – Isotretinoin – Dengue-Betroffenen verabreichen, damit diese nicht mehr häufiger, sondern seltener von Moskitos gestochen werden. Das dürfte aber nicht bei allen Patientinnen und Patienten ohne weiteres möglich sein, da der Wirkstoff gegen Akne etliche Nebenwirkungen hat.

Auch die Genetik der Stechmücken ließe sich verändern, sagt Cheng: Er plant, jene Geruchsrezeptoren in den Asiatischen Tigermücken zu identifizieren, mit denen sie das Lockmittel wahrnehmen können. In der Folge ließen sich die entsprechenden Gene entfernen. Wenn entsprechend gentechnisch veränderte Moskitos sich im Lebensraum verbreiten, könnte das die Ausbreitung der Krankheiten eindämmen. Gleichzeitig wird in den USA bereits radikaler vorgegangen: Es werden modifizierte Tigermücken freigesetzt, die sich nur noch eingeschränkt fortpflanzen können und so die Insektenpopulation stark regulieren sollen. Dies würde für weniger Gelsenstiche sorgen – und somit für weniger Möglichkeiten, Krankheiten zu übertragen. Die Maßnahme ist jedoch auch umstritten, da unklar ist, wie sie sich auf das Ökosystem auswirkt. (Julia Sica, 30.6.2022)