Andrés Orozco-Estrada sorgte für große Freude im Konzerthaus.

Foto: Peter Rigaud

Wien – Was war denn nun der wahre Grund für den abrupten Rücktritt von Andrés Orozco-Estrada als Chefdirigent der Wiener Symphoniker diesen April? Dauerknatsch mit Orchesterintendant Jan Nast oder die Enttäuschung ob der Nichtverlängerung seines Vertrags? Jedenfalls dürfte sich Orozco-Estrada, der im Oktober eine Professur für Orchesterdirigieren an der Musik-Uni Wien antritt, gerade sehr frei fühlen. Hatte der 44-Jährige in der Spielzeit 20/21 noch Chefposten bei Orchestern in Houston, Frankfurt und Wien zu betreuen, so ist es aktuell nur noch die Filarmónica Joven de Colombia, die er leitet. Die Europatournee machte jetzt Station in seiner Wahlheimat.

Die beiden Werke lateinamerikanischer Komponisten standen unter dem Primat des Rhythmus: Wolfgang Ordoñez’ Traversía und Osvaldo Golijovs Nazareno, bei dem die Labèque-Schwestern Katia und Marielle die Klaviersoloparts (mit Gonzalo Grau) übernahmen. Beglückend, mit welcher Vitalität und Präzision die jungen Kolumbianer musizierten. Bei Strawinskis Petruschka (Fassung 1947) wurde man staunender Zeuge einer Choreografie (von Martin Buczkó): ein Befreiungsakt gegen die Körperfeindlichkeit abendländischen ernstmusikalischen Tuns. Ob die Wiener Symphoniker bei so etwas mitgemacht hätten? Zugaben und Freude im Großen Konzerthaussaal. (sten, 30.6.2022)