Der Supreme Court in Washington wird von einer ultrarechten Mehrheit dominiert.

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Der Appell klang ambitioniert und leidenschaftlich. "Die Zeit ist knapp. Wir müssen schnell handeln", mahnte Joe Biden seine Amtskollegen rund um den Globus bei einem virtuellen Klimagipfel im April 2021. Kurz darauf legte er ein 550-Milliarden-Dollar-Programm zur Bekämpfung des Klimawandels vor. Doch das Gesetz ist inzwischen vom Kongress beerdigt worden. Und nun schlägt der rechte Supreme Court dem Präsidenten auch noch das wichtigste Instrument zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen aus der Hand.

Mit seiner rechten Mehrheit von sechs zu drei Stimmen entschied der Oberste Gerichtshof am Donnerstag, dass die Umweltbehörde EPA in der Vergangenheit ihre Kompetenzen überschritten habe, als sie den Ausstoß von Treibhausgasen durch die Energiewirtschaft begrenzte. Gegen die Stimmen der drei liberalen Richter schränkte der Supreme Court zudem die Befugnisse der Behörde drastisch ein und untersagte de facto die Einrichtung eines Emissionshandelssystems. Die Entscheidung ist nicht nur ein schwere politischer Rückschlag für Biden. Beobachter befürchten auch, dass die USA nun ihre Klimaziele verfehlen dürften.

Der vor dem Gericht verhandelte Fall "West Virginia gegen EPA" hat eine lange Vorgeschichte und enorme umweltpolitische Auswirkungen. Äußerer Aufhänger ist der "Clean Power Plan" der Obama-Regierung von 2009. Darin hatte die US-Umweltbehörde EPA strikte Obergrenzen für die CO2-Emissionen der Bundesstaaten festgelegt, damit diese ihre Stromerzeugung von fossilen Energieträgern auf Wind, Solar, Wasser und Gas umstellen. Das Programm funktionierte recht gut, obwohl es 2016 vom Obersten Gerichtshof blockiert und später von der Trump-Regierung einkassiert wurde. Viele Stromanbieter sortierten angesichts der Marktentwicklung die Kohle aus.

Erfolgreiche Klage

Trotzdem haben der Kohlestaat West Virginia und 16 andere republikanische Bundesstaaten mit massiver Unterstützung ultrarechter Aktivisten und industrieller Geldgeber 2021 gegen die EPA-Auflagen geklagt. Damals erwiderte die Biden-Regierung, dass sich die Grenzwerte für die Bundesstaaten erledigt hätten und sie neue Auflagen gezielt nur für Kohlekraftwerke erlassen wolle. Dessen ungeachtet nahm der Oberste Gerichtshof mit seiner ultrarechten Mehrheit von sechs zu drei Stimmen die Klage an. Dahinter vermuten Beobachter das schon bei früheren Entscheidungen offenkundig gewordene Interesse der Trump-Richter, die Washingtoner Regierung in ihren Handlungsmöglichkeiten so weit wie möglich zu beschneiden.

Ganz im Sinne des einstigen Trump-Chefideologen Steven Bannon kämpfen die Rechten in den USA nämlich für "die Zerstörung des Verwaltungsstaats". Formal argumentieren sie, nicht die Behörden, sondern allein die gewählten Volksvertreter im Kongress dürften Regeln festlegen. Dort aber blockieren sich Republikaner und Demokraten seit mindestens einem Jahrzehnt gegenseitig. Vor allem besitzt das Parlament weder die fachliche Expertise noch den Apparat, um beispielsweise Grenzwerte für klimazerstörende Emissionen festzulegen.

Projekten droht Scheitern

Nach dem Urteil ist nun höchst fraglich, ob die Biden-Regierung noch schärfere Abgaswerte für Autos formulieren oder die Stromerzeuger zwingen kann, auf fossile Kraftwerke umzusteigen. Selbst die Ablehnung von Pipeline-Projekten aus umweltpolitischen Erwägungen könnte kaum noch möglich sein. Schon vor der Entscheidung des Trump-Gerichts hatte die "New York Times" gewarnt: Eine derartige Beschränkung der USA als weltgrößter Emittent von Treibhausgasen im Kampf gegen die Klimakrise würde "das globale Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf durchschnittlich 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter höchstwahrscheinlich beerdigen". (Karl Doemens aus Washington, 30.6.2022)