Mysteriöse Unterwasserwelt: "Golden Shadow" ist die neueste Arbeit von Katrina Daschner in ihrer Schau.

Foto: Kunsthalle/Iris Danzinger

Von der Vagina dentata, die mit scharfen, metallenen Zacken als Portal zum Ausstellungsraum der Kunsthalle Wien dient, sollte man sich nicht abschrecken lassen. Denn dahinter verbirgt sich eine abgedunkelte Wunderwelt. Sie birgt das Vermögen, gewohnte Wahrnehmungsweisen von Körpern, Tierwelten und Naturbildern zu erweitern: Leinwände, die an Aquarien erinnern, wenn Korallenriffs in intensiven Farben erstrahlen; Hüft- und Gesäß-Close-ups von Pferden, die auf solche von Frauen treffen; neonfarbene Quallen, die mit in einem See wogenden Haarsträhnen oder fluoreszierenden Vögeln korrespondieren.

Burn & Gloom! Glow & Moon! nennt sich die Einzelausstellung der Künstlerin Katrina Daschner, in der man die Gelegenheit bekommt, in das sinnliche Universum ihres Werks nun selbst wie eine Protagonistin oder ein Protagonist einzutreten. Die gebürtige Hamburgerin, die in Wien Bildhauerei bei Brigitte Kowanz studiert hat, fand im Experimentalfilm jenes Medium, in dem sie ihre vielseitigen Interessen zusammenführen konnte.

Augen, die tasten wollen

Performance-Elemente sind ein Teil davon, das Verwandlungsspiel der Burlesque, vor allem eine ungebremste Lust, den Reiz von Oberflächen mit großer Geste auszukosten: Sie wolle die Welt "mit den Augen anfassen", sagt sie über ihren Anspruch, die Grenzen zwischen Künstlichkeit und Natur zu verwischen. Die jüngste Arbeit, das Zentralstück der Schau, ist die prächtige Doppelprojektion Golden Shadow. Sie ist narrativer als sonst, allerdings versteht Daschner das Erzählerische mehr wie eine "Koralle, die in alle Richtungen wächst".

Mit Daschners Langzeitdarstellerin Hyo Lee, deren neugieriger Blick als Lotse dient, tritt man in einen Spukwald samt Tümpel. Natürlich ist an dieser Fauna nichts, diese Fantasiewelt schillert und betört in der Farbpalette eines New-Wave-Videos. Hier tummeln sich Fabelwesen, die wie zu Leben erweckte Bäume aussehen, dort tastet sich eine Menschenhand an eine Qualle heran; bald starrt ein ausgestopfter Vogel vom Ast herunter: Trotz des bisweilen sinistren Sounddesigns von Sabine Marte geht es jedoch weniger um das Abschreckende an der Natur, vielmehr um eine Erweiterung der Erscheinungsformen (über das Menschliche hinaus) und um die Durchbrechung starrer Kategorien – bis in den Ausstellungsraum hinein, denn spiegelnde Teppiche wirken wie Lacken, die aus dem Film herausgeflossen sind.

Queeres Selbstverständnis

Ihr queeres Selbstverständnis ist Daschners Arbeiten subtil eingewoben. Dass das schon ostentativer war, sieht man auf Fotocollagen, die am Anfang ihres Schaffens in den 90ern entstanden, auf denen sie meist alleine mit gehäkelten Penissen posiert. Im Hochglanzglamour, den die Filme und die Architektur der Schau verströmen, liegt auch ein politischer Akt: Er gewährt dem Minoritären die große Bühne. Die Vagina dentata schillert auf der anderen Seite wie ein Amulett. (Dominik Kamalzadeh, 1.7.2022)