So sehen Sieger aus. Andreas Kolb nach seinem Sieg beim Dual Slalom beim Crankworx Innsbruck Festival 2022.

Foto: Jack Tennyson

Ruppig und steil, so fährt Kolb am liebsten mit dem Fahrrad bergab.

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Damit auch der Downhill-Nachwuchs Chancen hat, den Sport kennen und lieben zu lernen, plädiert Kolb für mehr legale Strecken abseits von Bikeparks. Denn nur auf Trails lernt man über Wurzeln und Steine zu fahren.

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Schladming – Ob es wirklich der Schnauzer ist, der ihn so schnell macht, sei dahingestellt. Jedenfalls behauptet Andreas Kolb das derzeit gern und augenzwinkernd in Interviews. Fakt ist: der 26-jährige Schladminger fährt die bisher beste Saison seiner Profikarriere als Downhill-Mountainbiker. Platz fünf und damit das erste Weltcup-Podium beim Heimrennen am 11. Juni in Leogang. Und gut zwei Wochen später, am 26. Juni, holte sich Kolb den Europameistertitel in Maribor, dicht gefolgt von seinem Landsmann David Trummer. "Maribor war mir besonders wichtig. Denn ich wollte beweisen, dass Leogang kein Zufall war und ich konstant auf diesem Niveau fahren kann", sagt Kolb, der aktuell auf Platz 18 im Gesamtweltcup steht und damit beim nächsten Rennen in Lenzerheide, Schweiz, als "protected rider" einen sicheren Startplatz im Finale hat.

Erklärtes Ziel ist wieder das Podium: "Wenn man einmal oben war, will man wieder rauf." Dafür trainiert Kolb derzeit zu Hause in Schladming. Dass die Form stimmt, war ihm schon zu Beginn des Jahres klar, erzählt er: "Ich habe mich so gut wie nie vorbereitet. Den Winter über war ich viel in Wales, bei den Athertons. Und danach in Portugal." Beim ersten Weltcuprennen in Lourdes, Frankreich, im April, lief es aber nicht ganz nach Plan. Er sei zu kontrolliert gefahren, zu sehr auf Sicherheit. Am Ende genügte das für Rang 22, Kolb wollte aber mehr.

Corona machte Strich durch die Vorbereitungen

Die Weltcup-Pause im Frühjahr nutzte er für einen Abstecher zum Sea Otter Classic nach Kalifornien, wo er Gefallen an der Disziplin Dualslalom fand. Und leider nahm er ein ungewolltes Souvenir mit zurück nach Europa: eine Corona-Infektion. "Anderthalb Wochen bin ich ziemlich hergehängt", erzählt Kolb. Doch pünktlich zur British Downhill Series (BDS) in Fort William am 8. Mai, fühlte er sich wieder fit genug, um an den Start zu gehen. Die BDS gilt als eine der besten und härtesten Rennserien im Downhillsport. Und vor allem der Stopp in Fort William, der kurz vor dem Weltcuprennen ebendort stattfand, wartete mit enormer Star-Dichte auf.

Für den gerade genesenen Kolb lief es ganz nach Plan. Er holte im hochkarätigen Feld Platz fünf. "Aber im Ziel fühlte ich mich plötzlich gar nicht mehr gut. Die Lunge brannte, ich bekam Kopfweh und schlief 16 Stunden am Stück." Offenbar hatte er zu früh nach der Corona-Infektion wieder mit dem Training begonnen. Angesichts des nahenden Weltcup-Termins in Fort William ruhte er sich "zwei, drei Tage" aus, um dann wieder voll ins Training einzusteigen. "Ein Dickschädel halt", blickt er selbstkritisch zurück. Der zu frühe Start forderte seinen Tribut: "Im Training bin ich beim ersten Sprung gestürzt. Radiuskopf gebrochen." Fort William musste er abschreiben.

Wandern mit Papa als Ausgleich

Obwohl die Ärzte ihm "mindestens sechs Wochen Pause" wegen des lädierten Ellenbogens prognostizierten, saß Kolb nach zweieinhalb Wochen wieder am Radl: "Wobei ich die Zeit echt Ruhe gegeben habe und nur mit meinem Papa wandern ging. Das hat sehr gut getan." Derart entspannt und körperlich wieder fit, kam der Weltcup in Leogang. "Ich hatte wenig Hoffnung, ging aber wohl gerade deshalb unbeschwert in das Rennwochenende", sagt Kolb.

Im Beisein seiner beiden Teamchefs, den legendären Brüdern Gee und Dan Atherton, lieferte Kolb bei seinem Heimrennen mehr als nur ab. Platz 13 in der Qualifikation und im Rennen dann das erste Podium, Platz fünf – im Downhill zählen die ersten fünf Plätze als Podiumsplätze. Derzeit passe im Team "einfach alles", strahlt der frisch gebackene Europameister.

Sein Rad selbst mitgestalten

Kolb entwickelt selbst mit, wenn es um die Geometrie seines Rades geht. Die Athertons haben für ihr Team eigene Rahmen gebaut und die Fahrer, wie Kolb, werden in diese Entwicklungsarbeit mit eingebunden. Für den Steirer keine ganz neue Aufgabe, schon bei seinem vorigen Team Gamux Racing arbeitete an seinem Rahmen aktiv mit. Bei den Athertons hat er nun aber ganz neue Möglichkeiten, weil es ein ungleich größeres Team ist. "Ich denke, ich bin mittlerweile ein guter Testfahrer, der sehr genau spürt, was am Bike verändert werden muss", sagt Kolb.

"Das Rad, mit dem ich Rennen fahre, ist auf mich zugeschnitten", erklärt der Steirer die Vorteile. Das Tretlager bei seinem Rennboliden liegt höher, als bei den herkömmlichen Atherton-Rahmen. Außerdem fährt Kolb einen steileren Lenkwinkel: "Wenn der zu flach ist, hab ich zu wenig Grip am Vorderrad." Zudem wird am Hinterbau dünneres Carbon benutzt. Eine Entwicklung, die man bei Athertons nun auch in der Serienproduktion übernimmt, wie Kolb erklärt.

Als erster Österreicher zur Hardline?

Derart gut betreut und ausgestattet hat Kolb heuer noch viel vor. Die noch kommenden Weltcuprennen, vor allem jene in Andorra, Val di Sole und Snowshoe, liegen ihm besonders und er hofft, dort wieder aufzeigen zu können. Und nach der Weltcupsaison könnte Kolb vielleicht als erster Österreicher überhaupt an der Red Bull Hardline teilnehmen, zu der seine Teamchefs, die Athertons, alljährlich nach Wales einladen. Es gilt als das härteste Downhillrennen und verlangt Fahrern wie Material alles ab. "Mal sehen, wie fit ich nach der Saison noch bin", hält sich Kolb sein Antreten noch offen. (Steffen Arora, 2.7.2022)