Müssten Internet-Trolle ihre Beschwerden persönlich beim "Gott des Krieges" abgeben, es würde wohl weit weniger davon geben.

Foto: Sony

Innerhalb von 24 Stunden hatte die Games-Branche mit gleich zwei neuen Skandalen zu kämpfen. "Monkey Island" Entwickler Ron Gilbert verkündete nach zahlreichen Beleidigungen gegen den Grafikstil seines neuen Spiels und ihn persönlich, dass er bis auf weiteres keine Neuigkeiten zu seinem Projekt veröffentlichen werde. Fast zur gleichen Zeit musste "God of War" Produzent Cory Barlog die ungeduldige Online-Community daran erinnern, dass man seinen Mitarbeitern doch bitte keine anstößigen Bilder schicken solle. So stellt sich am Ende tatsächlich nur eine Frage: Wie wichtig kann man sich als "Fan" eigentlich nehmen, dass man glaubt, die ganze Games-Welt würde sich nur um einen selbst drehen?

Ungehalten

Vielleicht liegt es an über zwei Jahren Pandemie, der aktuell stark steigende Inflation oder persönlichen Magen-Darm-Problemen, dass Teile der anonymen Online-Community wieder einmal für völlig überflüssige Schlagzeilen sorgen. Der Grafikstil des kommenden Spiels "Monkey Island", das die Entwickler kürzlich erstmals in Bewegung zeigten, scheint manche Gamer derart zu stören, dass sie drauf und dran sind dem Entwickler die Lust an der geplanten Fortsetzung zu verderben. Mit sehr zahlreichen und sehr persönlichen Kommentaren, zwangen sie Ron Gilbert in die Defensive. Ähnliches hatte man vor vielen Jahren bei "Mass Effect 3" erlebt, als Fans, die unzufrieden mit dem Story-Ende des Spiels waren, die Entwickler aufforderten dieses umzuschreiben. In einem Fall war das Spiel allerdings schon fertig – "Monkey Island" befindet sich gerade erst in den Anfängen seiner Entwicklung.

Ähnlich absurd, aber gleichermaßen entbehrlich, wirken die Drohungen und Beleidigungen gegen das Entwickler-Team, die derzeit an "God of War Ragnarök" arbeiten. Seit Wochen steigert sich die sogenannte "Fanbase" online in einen Hype um das Spiel und fordert lauthals, dass die Entwickler doch verpflichtet seien zu verraten, wann das Spiel denn endlich erscheinen würde. Die Art, wie man diese Forderung erreichen möchte, nahm in den letzten Tagen unpässliche Formen an. Eine Mitarbeiterin schrieb am Donnerstag auf Twitter: "Mir Dickpics zu schicken und gleichzeitig nach dem Release-Datum von 'God of War Ragnarök' zu fragen wird mich nicht dazu bringen, das Release-Datum zu verraten".

Morddrohungen

Studio-Chef Cory Barlog, der zuvor schon seinem "Monkey-Island"-Kollegen Gilbert aufmunternde Worte zukommen ließ, gab sich auf Twitter ungehalten zu den mittlerweile schon länger anhaltenden Drohungen gegen sein Team. "Die Leute reißen sich ihren Arsch auf, um etwas zu schaffen, das ihr genießen könnt. Zeigt verdammt nochmal etwas Respekt!"

Die aktuelle Stimmung erinnert an ähnlich turbulente Zeiten, als sich aggressive User "ihr Recht" mit Gewalt erkämpfen wollten. Völlig zur Eskalation kam es beispielsweise beim Spiel "The Last of Us 2", als die Entwickler sogar Morddrohungen aufgrund von inhaltlichen Diskrepanzen zwischen so mancher Erwartungshaltung und spielbarer Realität gab. Als die Schauspielerin Laura Bailey die Drohungen öffentlich machte, konnten viele nicht glauben, wie tief manche Menschen sinken können. "Ich werde herausfinden wo du wohnst und werde dich dann hinrichten, für das was du getan hast". Die Verfasser solcher Nachrichten verwechselten Realität mit Fiktion und nahmen in ihren Drohungen oftmals Bezug auf die Handlungen der Spielfigur, der Bailey ihre Stimme geliehen hatte. Ähnlich jenen Leuten, die in den 1990er Jahren in die Kanalisation kletterten, um dort nach Ninja-Schildkröten Ausschau zu halten.

Es muss Schluss sein

Die Games-Branche hat eindeutig ihre jugendliche Verspieltheit verloren. Abseits von toxischen Arbeitsbedingungen und neuen Geschäftsmodellen, die oftmals die Monetarisierung vor das Spiel selbst stellen, haben wir dank der Anonymität im Netz auch noch einen lautstarken Mob herangezogen. Dieser scheut offenbar keiner Beleidigung oder Form der Drohung, um seine Meinung kundzutun und Entwicklern jeglicher Art den Spaß an der Arbeit zu verderben. Die Regelmäßigkeit, in der solche "Trends" mittlerweile das Netz verseuchen, ist erschreckend.

Aber wie will man dagegen vorgehen? Vielleicht sich selbst kurz an der Nase nehmen und sich fragen, ob man zu wirklich jedem Thema eine ausführliche Hassrede verfassen muss? Ob man jede Arbeit, die von anderen geschaffen wurde, schon im ersten Schritt verurteilen sollte? Last but not least sollte das Versenden von unsittlichen Fotos zu keinem Standard heranwachsen, der im Zusammenhang mit fast jeder Diskussion genannt werden muss. Es sind schwierige Zeiten, ohne Zweifel. Videospiele können aber genau hier ein großartiges Ventil sein, um sich aus der manchmal zu harten Realität kurz ausklinken zu können. "Return to Monkey Island" und "God of War Ragnarök", dafür legt der Autor dieser Zeilen seine Hand ins Feuer, werden zwei solcher Ventile werden. Zeigen wir ihnen und allen daran Beteiligten ein wenig Respekt. (Alexander Amon, 2.7.2022)