Tunesiens Präsident Kais Saied gab an, das Land von der Korruption befreien zu wollen. Kritiker nehmen ihm das nicht ab.

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Tunis – Der Leiter des tunesischen Verfassungsausschusses kritisiert den von Präsident Kais Saied veröffentlichten Verfassungsentwurf. Sadok Belaid, ein ehemaliger Verfassungsrechtsprofessor, der von Saied mit der Ausarbeitung einer "neuen Verfassung für eine neue Republik" beauftragt wurde, sagte, Saieds Version sei gefährlich und habe keine Ähnlichkeit mit dem ersten Entwurf seines Ausschusses, berichtete die Zeitung "Assabeh" laut Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag.

Weg in Diktatur möglich

Belaid sagte, der vom Präsidenten veröffentlichte Verfassungsentwurf enthalte Kapitel, die den Weg für "ein schändliches diktatorisches Regime" ebnen könnten. Der Präsident hat sich seit der Veröffentlichung des Textes am Donnerstag im tunesischen Amtsblatt nicht zur Verfassung geäußert. Über die Verfassung, die Saied nahezu uneingeschränkte Befugnisse einräumen würde, soll noch in diesem Monat ein Referendum abgehalten werden.

Saied hat im vergangenen Jahr die meisten Befugnisse an sich gerissen. Die demokratische Verfassung von 2014 hat er außer Kraft gesetzt und das gewählte Parlament entlassen, um per Dekret zu regieren, während er das politische System umgestaltet.

Ein Kapitel der vorgeschlagenen Verfassung enthält die Formulierung: "Im Falle einer drohenden Gefahr kann der Präsident seine Amtszeit verlängern." Belaid sagte, dies würde "den Weg für eine schändliche Diktatur ebnen".

Weitreichende Veränderungen geplant

Die von Saied vorgeschlagene Verfassung sieht außerdem die Schaffung eines Rates der Regionen als zweite Kammer des Parlaments vor. Sie enthält jedoch keine Details darüber, wie dieser gewählt werden soll und welche Befugnisse er haben wird.

Belaid sagte darüber hinaus, der Vorschlag des Präsidenten, die Mitgliedschaft im Verfassungsgericht auf vom Präsidenten ernannte Richter zu beschränken, würde die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben. (APA, 3.7.2022)