Im Gastblog erläutert die Rechtsanwältin Theresa Kamp die familienrechtlichen Dimensionen von Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich.

Die kürzliche Entscheidung des Supreme Court in den USA zum Abtreibungsrecht hat die Wogen hochgehen lassen. Der Supreme Court hat das wegweisende Urteil "Roe v. Wade" aufgehoben. Damit wurde der Weg geebnet, dass einzelne Bundesstaaten restriktive Abtreibungsgesetze erlassen können – oder auch Abtreibungen ganz verbieten. Während dieses Urteil bei vielen Menschen Besorgnis hervorruft, lohnt sich auch ein Blick auf die rechtliche Situation in Österreich.

Wie ist der Schwangerschaftsabbruch in Österreich geregelt?

Die rechtlichen Rahmenbedingungen rund um Schwangerschaftsabbrüche in Österreich finden sich im Strafgesetzbuch. Es wird dort festgelegt, wann ein Schwangerschaftsabbruch straffrei ist. Die sogenannte "Fristenlösung" gibt es seit 1975. Ob das Strafgesetzbuch der richtige Ort für derartige Regelungen ist und ob die Formulierung der "Straflosigkeit" dem Thema unter dem Gesichtspunkt von Frauenrechten gerecht werden kann, darf bezweifelt werden.

In Österreich sieht die gesetzliche Regelung vor, dass Schwangerschaftsabbrüche unter gewissen Umständen "straffrei" sind.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wird der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt oder einer Ärztin vorgenommen, ist er nicht strafbar. Nach Ablauf dieser Frist ist der Abbruch unter bestimmten Voraussetzungen bei entsprechender medizinischer Indikation straflos. Auch, wenn die Schwangere zum Beginn der Schwangerschaft noch nicht 14 Jahre alt war. Zum anderen ist festgelegt, dass kein Arzt oder keine Ärztin verpflichtet ist, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken – außer der Abbruch ist aufgrund der Lebensgefahr der Schwangeren notwendig. In manchen Gebieten von Österreich ist es schwierig bis unmöglich, ärztliche Unterstützung zu finden, wenn der Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch besteht.

Familienrechtliche Implikationen: Partnerschaftlichkeitsprinzip

Auch Familienrichter und Richterinnen haben sich immer wieder mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch auseinanderzusetzen. In Österreich gilt nach wie vor das Verschuldensprinzip. Das bedeutet: Hat ein Eheteil schuldhaft eine schwere Eheverfehlung gesetzt, die zum Scheitern der Ehe führt, kann auf Scheidung geklagt werden. Es entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass ein Schwangerschaftsabbruch, der grundlos und nicht einverständlich vorgenommen wird, eine schwere Eheverfehlung sein kann (RIS-Justiz RS0056572). Gewichtige Gründe, wie etwa gesundheitliche Risken für Mutter oder Kind, können aber einen entsprechenden Scheidungsgrund ausschließen.

2017 befasste sich der Oberste Gerichtshof zum Beispiel mit einem Fall (OGH 5 Ob 166/17y), bei dem es um diese Frage ging: Die Ehefrau ließ einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, ohne den Ehemann vorher über den Abbruch zu informieren oder darüber mit ihm ein Einvernehmen herzustellen. Der Ehemann hatte ihr zuvor als Antwort auf ihre Überlegung, sie werde für zwei Kinder mehr Geld brauchen, gesagt: "Du bekommst eh die Kinderbeihilfe." Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass die Ehefrau durch den heimlichen Abbruch jedenfalls das Einvernehmlichkeitsverbot verletzt hat. Und zwar durch ihre Handlung, das vom Ehemann gewünschte Kind abzutreiben, ohne ihn in ihre Entscheidung auch nur einzubinden.

In der Ehe gilt generell das Partnerschaftlichkeitsprinzip. Das heißt, dass die Eheleute ihr Leben per se einvernehmlich gestalten sollen. Im speziellen Fall war der OGH der Ansicht, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Frau nicht weiter erörtert werden musste, weil sie durch ihr Verschweigen jedenfalls eine Eheverfehlung im Sinn der Verletzung eben dieses Einvernehmlichkeitsprinzips gesetzt hat. Das Höchstgericht blieb dabei: Die Ehefrau traf das überwiegende Verschulden am Scheitern der Ehe. Offen bleibt, ob der Oberste Gerichtshof das anders beurteilt hätte, wenn die Ehefrau sich mit dem Ehemann zwar abgesprochen hätte, die Abtreibung gegen seinen Willen aber dennoch hätte durchführen lassen.

Hohe Kosten bei Eheverfehlung

Klar ist, dass Entscheidungen eines Gerichts über das überwiegende Verschulden am Scheitern einer Ehe weitreichende, teilweise existenzielle Konsequenzen mit sich bringen können. Salopp ausgedrückt, könnte man sagen: Ein strittiges Scheidungsverfahren zu verlieren, kann teuer werden. Vor allem auch in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt. Anspruch auf angemessenen, nachehelichen Unterhalt hat man nämlich regelmäßig nur dann, wenn die andere Person am Aus der Ehe "schuld" ist.

Das heißt, dass ein gerichtlicher Ausspruch über das Verschulden entweder dazu führen kann, dass man möglicherweise für lange Zeit Unterhalt zahlen muss, oder eben, dass man einen etwaigen Unterhalt verliert. (Theresa Kamp, 5.7.2022)