Dieses Selbstporträt soll Basquiat 1982 auf einem Karton von Fedex gemalt haben. Die Schriftart des Aufdrucks der Firma auf der Rückseite wurde jedoch erst ab 1994 verwendet.

Screenshot DER STANDARD, Quelle: NYT / Orlando Museum of Art

Am Ende ging alles sehr schnell: Mehr als ein Dutzend FBI-Agenten betraten das Orlando Museum of Art, legten den Durchsuchungsbefehl vor, nahmen die 25 dort seit Februar in der Ausstellung Heroes & Monsters: Jean-Michel Basquiat gezeigten Kunstwerke von den Wänden, verpackten sie und transportierten sie ab. Vier Tage später war der Direktor des Museums, auf dessen Initiative hin die Schau stattfand, seinen Job los.

Der Verdacht der US-amerikanischen Sicherheitsbehörde: Verschwörung und Betrug. Denn die Echtheit dieser Bilder steht in Zweifel – nicht erst seit kurzem, sondern schon länger, wie die Ermittlungen ergaben. Die Ausstellung sollte womöglich dazu dienen, den zweifelhaften Bildern eine institutionelle Legitimität zu verleihen. Indizien dafür? Die Eigentümer hatten die Werke in den vergangenen Jahren mehrmals zu verkaufen versucht. Vergeblich. Die klassische Sammler- und Händlerklientel ließ sich nicht überzeugen. Mit der Beschlagnahme wenige Tage vor dem Ende der Schau am 30. Juni wurden die mutmaßlichen Fälschungen vorerst aus dem Verkehr gezogen.

Wesentlichen Anteil als Ursache für die Maßnahme hatte die von den Leihgebern und vom Museum behauptete Herkunftsgeschichte, der sogar Drehbuchautoren einiges abgewinnen könnten. Die Ironie daran: Ein solcher spielt darin sogar eine Hauptrolle, konkret der 2018 verstorbene Fernsehproduzent, Autor und Emmy-Preisträger Thad Mumford, der für Erfolgsserien wie M*A*S*H verantwortlich zeichnete.

Pünktlich zum Boom

Der Erzählung nach soll er diese 25 Bilder direkt von Basquiat erworben haben, für 5000 Dollar in Cash und ohne Einbindung von dessen damaligen Galeristen. Entstanden seien sie Kleinformate allesamt Ende 1982, gemalt auf Pappresten aus dem Altpapier, übersät mit für Basquiat typischen Motiven wie schreienden Kreaturen, Totenköpfen, Zähnen und Klauen. Unter den Werken etwa ein Selbstporträt mit der ebenfalls charakteristischen Krone, gemalt auf einem Karton, auf dessen Rückseite sich ein Aufdruck der Firma Fedex befindet. Die erkennbare Schriftart war bei dem Kurierunternehmen allerdings erst ab 1994 in Verwendung. Basquiat war jedoch bereits 1988 verstorben.

Das Selbstporträt wurde es auf einen Karton von "FedEx" gemalt, wie ein Aufdruck auf der Rückseite belegt. Die erkennbare Schriftart war bei dem Kurierunternehmen jedoch erst ab 1994 – sechs Jahre nach Basquiats Tod – in Verwendung.
Foto: Screenshot DER STANDARD, Quelle: NYT / Orlando Museum of Art

Im Werkverzeichnis, das zwischen 1996 und 2010 in drei Bänden publiziert wurde, finden sich keine Hinweise auf die beschlagnahmten Bilder. Sie seien erst 2012 wiederaufgetaucht, heißt es. Denn Mumford hatte die Rechnung für ein angemietetes Lager in Los Angeles nicht bezahlt, weshalb der Inhalt versteigert wurde. So seien die 25 Bilder damals für etwa 15.000 Dollar in ihren Besitz gewechselt, behaupten die Eigentümer.

Der Zeitpunkt des Auftauchens der Bilder ist bemerkenswert: 2012 war nicht nur das Jahr, in dem ein Werk des Künstlers bei einer Auktion erstmals mehr als 20 Millionen Dollar erzielte, sondern auch jenes, in dem das Komitee zur Authentifizierung des Nachlasses von Jean-Michel Basquiat seine Arbeit einstellte. Seither beglaubigt der Estate nur noch Zertifikate, die mittlerweile ebenso wie Bilder gefälscht werden.

Den Gutachten werden keine Bedeutung beigemessen

Kein Wunder, denn Basquiat zählt mittlerweile zu den teuersten Künstlern seiner Generation. Würde es sich bei den 25 Bildern um authentische Werke handeln, wären sie an die 100 Millionen Dollar wert, wie Brancheninsider beziffern. 2017 kam es in der Marktbewertung zu einer Zäsur, als ein Totenkopfmotiv Basquiats für 110,5 Millionen Dollar versteigert wurde. Die Eigentümer der strittigen Bilder blieben nicht untätig. Im selben Jahr beauftragten sie einen Handschriftenexperten, der die Signaturen überprüfte und für authentisch erachtete. Zeitgleich zog man für 60.000 Dollar eine Kunsthistorikerin zurate.

Den Gutachten scheinen die Behörden keine Bedeutung beizumessen. Aus gutem Grund. Wie die New York Times aus einer eidesstattlichen Erklärung zitiert, war Thad Mumford 2014 von einer Spezialagentin des FBI befragt worden. Ergebnis: Er habe niemals Werke von Basquiat gekauft, diesen auch nie getroffen und nicht gewusst, dass sich solche Bilder in seinem angemieteten Lager befunden haben sollen. Jedoch hätten die Eigentümer der Bilder ihn unter Druck gesetzt, Dokumente zu unterschreiben, wonach er der Vorbesitzer gewesen sei. Dafür sei Mumford eine "zehnprozentige Beteiligung" an den Nettoerlösen aus nachfolgenden Verkäufen angeboten worden. (Olga Kronsteiner, 5.7.2022)