Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (rechts) fühlte sich von der ÖVP unter Sebastian Kurz (links) bei der FMA-Reform über den Tisch gezogen.

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Das Gesetzesvorhaben der türkis-blauen Regierung, die Bankenaufsicht zu reformieren, hat im Jahr 2019 für größtes Aufsehen gesorgt. Die Koalitionsregierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) wollte die zwischen Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA und Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) geteilte Aufsicht bei der FMA zusammenziehen und dort einen Alleinvorstand installieren. Per Gesetz hätte der Vorstandsjob von Helmut Ettl (der SPÖ zugerechnet) abgeschafft werden sollen. Vor allem Letzteres war höchst umstritten, wäre doch damit das als beinahe unumstößlich geltende Vieraugenprinzip ausgehebelt worden. Zur Umsetzung sollte es dann angesichts der Ibiza-Turbulenzen und der Regierungsumbildung nicht mehr kommen.

Aus jüngst aufgetauchten Chats rund um die Kunst der türkis-blauen Postenbesetzung erschließen sich bislang unbekannte Details, wie Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) die Posten nach der umstrittenen Aufsichtsreform untereinander aufteilen wollten. Einig waren sie sich bei alldem nicht: Immer wieder kam es zu Zwistigkeiten, und die FPÖ-Verhandler fühlten sich von ihrem Widerpart über den Tisch gezogen. Zu Recht, wie man inzwischen weiß. Schon im Herbst 2018 hatte die ÖVP-Spitze beschlossen, einen Alleinvorstand bei der FMA zu installieren. Die FPÖ dagegen glaubte noch bis zum April 2019, dass ihr bei der FMA auch ein Vorstandsposten zufallen werde.

Die "Schiefer-Schmid-Vereinbarung"

Die Reform samt tiefgreifender Umstrukturierung der Behörde sollte im Rahmen eines Gesamtpakets abgehandelt werden. Grundlage war der Sideletter zum türkis-blauen Regierungsabkommen, zusätzlich hatten FPÖ-Chefverhandler Arnold Schiefer und Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, im Jahr 2018 weitere Abmachungen getroffen, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bezeichnet diese als "Schiefer-Schmid-Vereinbarung". Bei der Casinos AG war man sich schon einig geworden, dort kam im März 2019 der frühere freiheitliche Bezirksrat Peter Sidlo in den Vorstand, Bettina Glatz-Kremsner (ÖVP) wurde Chefin des Glücksspielkonzerns. Und bei der Staatsholding Öbag bekam Schmid mit Amtsantritt 1. April 2019 selbst den von ihm so angestrebten Posten des Alleinvorstands.

Das nächste große Thema war eben die Aufsichtsreform. Aufseiten der FPÖ war auch Barbara Kolm aktiv, die Chefin des Hayek-Instituts saß damals schon im Generalrat der Notenbank. Sie erklärte Strache am 3. April 2019 das "neue Wording" – und schon daraus erschließt sich, dass ÖVP und FPÖ damals von höchst unterschiedlichen Prämissen ausgingen. Denn Kolm präsentierte dem Vizekanzler folgenden Plan für die Jobverteilung: ein Vorstandsmitglied für die ÖVP. Weil ein Vorstandsmitglied "derzeit" der SPÖ zuzurechnen sei, werde die FPÖ eine "zeichnungspflichtige Generalsekretärin" besetzen, weil die "wegen der Governance auf Vorstandsebene notwendig" sei.

"Ruhig Blut" und "hart bleiben"

Auf der Ebene unter dem Vorstand sollten fünf Exekutivdirektoren eingesetzt werden, von denen drei der ÖVP und zwei der FPÖ zufallen sollten. Und: Einer der freiheitlichen Exekutivdirektoren werde "für Bankenaufsicht zuständig" sein. Außerdem erinnerte Kolm daran, dass laut FPÖ-Verhandler Schiefer auch der FMA-Aufsichtsratsvorsitzende für die FPÖ "drinnen" sei. Zusätzlich war geplant, dass beim Auslaufen des Mandats des "SPÖ-Vorstands" dann die FPÖ zum Zug kommen solle.

Doch was so einfach aussah, zog sich dahin. Die chattenden Freiheitlichen vermuteten ihr Visavis von der ÖVP "auf Tauchstation". Erste Bedenken, dass man sich nicht durchsetzen werde, versuchte Strache zu zerstreuen: "Ruhig Blut, wir sind für zwei Vorstände plus Generalsekretär mit Zeichnungsberechtigung und bei Wechsel des Vorstandes einer von uns!" Außerdem fühlte er sich offenbar in einer komfortablen Situation: "Wir brauchen keine FMA neu! Das ist ein Entgegenkommen gegenüber der ÖVP auf Augenhöhe!", schrieb der Vizekanzler an den Staatssekretär im Finanzministerium Hubert Fuchs (FPÖ). Der solle bei den Verhandlungen "hart bleiben".

"Dann kommt es eben nicht!"

Fuchs hatte Strache zuvor von völlig anderen Vorstellungen der ÖVP berichtet: Deren Verhandler behaupteten, dass es zwischen Kurz und Strache gar keine Vereinbarung zu Posten in der FMA gebe. Die ÖVP wolle keinen Generalsekretär und außerdem "den roten Vorstand loswerden". Was Strache so kommentierte: Bekomme die FPÖ kein Vorstandsmitglied, "gibt es kein Gesetz! (…) Dann kommt es eben nicht!"

Letztlich eskalierte die Auseinandersetzung fast: Strache bat seine Leute, alle Vereinbarungen zu sammeln und zu dokumentieren, denn "Kurz will davon nichts wissen, und das geht nicht ...". Sollte der Deal nicht klappen, "stimmen wir nirgendwo mehr zu (…) das war extra vereinbart und muss halten!!!!".

Tat es aber nicht: Wenig später haben sich die Koalitionäre auf die FMA-Reform und einen Alleinvorstand geeinigt. Der Gesetzesentwurf ging in die Begutachtung, das Ibiza-Video durchkreuzte allerdings die Pläne. Heute ist Helmut Ettl immer noch im Vorstand der FMA, an seiner Seite kam Eduard Müller, ehedem Sektionschef im Finanzministerium und Chatpartner von Thomas Schmid. (Renate Graber, Fabian Schmid, 5.7.2022)