Zecken sind in Österreich nicht schwer zu finden: So gut wie überall, wo es Grünflächen gibt, sind die Parasiten nicht weit, ihre Verbreitung nimmt seit Jahren zu. Der Klimawandel bringt lange Sommer, wärmere Winter und damit bessere Lebensbedingungen für die Blutsauger, die zur Ordnung der Milben zählen. Die höheren Temperaturen locken auch neue Arten an: Neben den 18 beschriebenen heimischen Zeckenspezies, unter denen der Gemeine Holzbock mit Abstand am häufigsten vorkommt, tauchen immer öfter Zecken aus anderen Teilen der Welt auf – und bringen gefährliche Krankheitserreger mit.

Hyalomma marginatum stammt aus den Subtropen, fällt aber auch in Europa vom Himmel – von Vögeln, die nach Norden ziehen.
Foto: Robert Koch-Institut

Mit Sorge beobachten Fachleute vor allem die zunehmenden Funde einer ursprünglich aus den Subtropen stammenden Zecke in Mitteleuropa: Hyalomma marginatum, auch tropische Riesenzecke genannt. Sie bevorzugt zwar große Säugetiere wie Pferde und Rinder als Wirte, aber auch Menschen werden häufig gestochen. Und sie kann gefährliche Krankheiten wie das Krim-Kongo-hämorrhagische Fieber übertragen, das zu Blutungen führt und in fünf bis 30 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Auch der Fleckfieber-Erreger Rickettsia aeschlimannii wird durch diese Zecke verbreitet.

Erstfund 2018

In Österreich wurde Hyalomma erstmals 2018 nachgewiesen – und seither immer wieder gesichtet. Inzwischen gibt es auch Hinweise darauf, dass einzelne Exemplare erfolgreich in Österreich überwintert haben. Auch eine zweite Hyalomma-Art wurde bereits gefunden, Hyalomma rufipes, die aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit lange als Unterart von Hyalomma marginatum galt. Insgesamt sind die Funde nach wie vor selten, etwas häufiger werden Riesenzecken in Deutschland nachgewiesen, wo es 2019 auch erstmals zur Infektion eines Menschen mit Rickettsia aeschlimannii kam. Ob sich die Blutsauger in unseren Breiten bereits dauerhaft etabliert haben, ist unklar. Für die Zukunft ist aber damit zu rechnen, befürchten Experten.

Die Zecken werden mit fünf bis sechs Millimetern Körperlänge deutlich größer als heimische Arten.
Foto: VETMEDUNI VIENNA/GEORG DUSCHER

"Diese Zecken kommen mit dem Vogelzug zu uns, im Frühjahr, wenn die Vögel von Süden Richtung Norden ziehen", sagt Georg Duscher, Parasitologe bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages). Denn erst die vollständig entwickelten Zecken suchen sich große Wirte, als Larven und Nymphen entwickeln sie sich zunächst auf kleinen Säugetieren und Vögeln. Befallene Zugvögel bringen die Parasiten auf ihrer Reise aus Afrika in den Norden mit. Wenn die Nymphen günstige Bedingungen in ihrer neuen Umgebung vorfinden und überleben, gehen sie als erwachsene Tiere auf die Jagd nach größeren Tieren. Genau das dürfte aufgrund der steigenden Temperaturen immer öfter passieren.

Verfolgung auf hundert Meter

Anders als heimische Zecken geht Hyalomma marginatum tatsächlich aktiv auf die Jagd, sagt Parasitologe Duscher. "Die heimischen Zecken wie der Holzbock oder die Reliktzecke sind Lauerjäger, die im Gras warten, bis jemand vorbeikommt. Die tropische Riesenzecke sucht aktiv ihren Wirt auf und folgt ihm auch auf hundert Meter." Bis zu neun Meter weit können die Parasiten ihre Opfer wahrnehmen – und sind dank ihrer vergleichsweise langen Beine flott unterwegs.

Einmal am Ziel, ziehen die Parasiten ihre unter Zecken bewährte Strategie durch: Die Haut des Wirts wird mit den Kieferklauen angeritzt, dann wird der Stechrüssel in die Wunde eingeführt. Ein Gerinnungshemmer hilft dabei, den Blutfluss zu steigern – und der Mahlzeit steht, sofern sie unentdeckt bleibt, nichts mehr im Wege. Da der ganze Vorgang eher einem Stich als einem Biss nahekommt, hat sich in der wissenschaftlichen Literatur der Begriff "Zeckenstich" etabliert, umgangssprachlich ist dennoch oft von einem "Zeckenbiss" die Rede.

Meldungen erwünscht

Wie lässt sich nun aber erkennen, wer da an einem saugen will? Wirklich riesig ist Hyalomma marginatum zwar nicht, aber mit etwa fünf bis sechs Millimetern etwa doppelt so groß wie der Holzbock. Auch die langen, auffällig gestreiften Beine, die auf den ersten Blick an Spinnentiere denken lassen, helfen dabei, die Riesenzecken zu identifizieren. Der Rückenschild ist einfärbig braun. Wer von einem solchen Blutsauger gestochen wird, sollte sofort zum Arzt gehen, raten Fachleute.

Sichtungen verdächtiger Zecken können zudem bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit gemeldet werden, sagt Duscher: "Wenn Sie eine neue oder vermeintlich neue Zeckenart sehen, machen Sie ein Bild, bewahren Sie die Zecke in einem Gefäß auf und kontaktieren Sie uns. Wir überwachen nicht nur die Ausbreitung der neuen Zeckenarten, sondern analysieren auch, welche Krankheitserreger enthalten sind, damit wir in Zukunft auf neue Gefahren besser darauf reagieren können." Fotos können an zecken@ages.at geschickt werden, dort erhält man auch Infos zum Einsendeprozedere der Tierchen.

Parasitologe Georg Duscher erklärt, welche Gefahren Hyalomma mit sich bringt.
agesnews

Heimische Gefahren

Bisher brachten Untersuchungen von in Österreich und in Deutschland gefundenen Zecken immerhin keine Nachweise für das Krim-Kongo-Fieber-Virus, wohl aber für das Bakterium Rickettsia aeschlimannii. Eine Ansteckung mit dem Erreger ist in Österreich, anders als in Deutschland, bisher nicht dokumentiert.

Das bei weitem größere Problem bleiben indes Infektionen durch heimische Zecken, die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sind dabei die häufigsten übertragenen Krankheiten. Von FSME, gegen die es eine wirksame Schutzimpfung gibt, waren im Vorjahr 115 Menschen betroffen. Gegen die Lyme-Borreliose steht hingegen kein Impfstoff zur Verfügung, die Zahl der Infektionen in Österreich wird auf 25.000 bis 70.000 pro Jahr geschätzt. (David Rennert, 5.7.2022)