Wo geht es hier zum Meer? Wenn man nach Rijeka kommt, fragt man sich das öfter, denn es scheint, als stünde sich die Stadt irgendwie selbst mit ihren Gebäuden und teils historischen Industrieanlagen im Weg herum, als verstelle sie den Blick auf die wunderschöne Kvarner Bucht, anstatt – wie andere Hafenstädte der Adria – das Wasser mit attraktiven Strandpromenaden zu umspielen. Es gibt zwar den architektonisch stark von der Habsburgerzeit geprägten Korzo zum Flanieren, aber auch der ist nicht am Meer.

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Mitunter hat es den Anschein, die Gebäude in Rijeka stellen sich dem Meer in den Weg.
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Die drittgrößte Stadt Kroatiens lockt Neuankömmlinge nicht mit schicken Cafés, Bobo-Bars oder überteuerten Restaurants in den Hafen. Genau genommen lockt sie überhaupt nicht, sie lässt einen auf angenehme Weise einfach in Ruhe. Der postindustrielle, ehrliche Charakter dieser Stadt mit ihrer interessanten, lebendigen Kunstszene macht sie aber auf zweiten Blick nachhaltig attraktiv.

Historische Industriezone

Das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in der Krešimirova ulica, das über 8000 Exponate aus dem 19. und 20. Jahrhundert versammelt, ist nur ein Beispiel, das definitiv einen Besuch wert ist. Es ist Teil einer historischen Industriezone, in der ein Museumsquartier geschaffen wurde. Hier findet man auch das Stadtmuseum, ein kulturelles Zentrum für die Jüngsten, das sogenannte Kinderhaus, und künftig die Stadtbibliothek.

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Auf der Anhöhe von Trsat steht die alte Festung von Rijeka.
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Was Rijeka an seiner Kunstszene hat, wurde spätestens 2020 evident, als die größte Hafenstadt Kroatiens Kulturhauptstadt Europas wurde. Im Bewerbungsprozess konnte man gerade durch die freie Szene überzeugen. "Die Bewusstseinsbildung für die Bedeutung kultureller Produktion in der lokalen Bevölkerung war eine der größten Leistungen der Kulturhauptstadt", sagt der Künstler Nemanja Cvijanović auf das Programm rückblickend.

Roter Stern aus Scherben

2020? Da war doch noch was. Genau. Rijeka hatte das Pech, genau mit dem Beginn der Corona-Pandemie sein kulturelles Jahr einzuläuten. Die stark vertretene Kunst im öffentlichen Raum war da noch bevorzugt, weil sie zumindest nicht gänzlich abgesagt werden musste. Insgesamt litt die Kulturhauptstadt aber am ausbleibenden Tourismus.

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Der alte Uhrturm von Rijeka.
Foto: Getty Images

Der Beitrag von Cvijanović prägte die Skyline Rijekas unübersehbar. Sein Denkmal für ein rotes Rijeka war ein riesiger roter, fünfzackiger Partisanenstern aus Stahlbeton und 2800 roten Glasscherben, der auf dem Dach eines 66 Meter hohen alten Hochhauses aufgestellt wurde. 2800 Partisaninnen und Partisanen starben beim Kampf um Rijeka gegen die Faschisten. Das Monument, das an den roten Stern, der 1945 auf ebendiesem Haus prangte, erinnerte, war eine temporäre Installation, der Künstler hat aber noch Pläne mit seinem Stern. Vielleicht taucht er ja wieder irgendwo auf.

Titos Yacht bleibt in der Weft

Geplant war auch die Restaurierung des jugoslawischen Marineschulschiffs Galeb, das Tito für diplomatische Reisen nutzte. Noch ist "Titos Yacht" aber weder als Partyschiff noch als Museum in Betrieb, sondern liegt in einer Werft in Kraljevica bei Rijeka.

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Auf dem zentralen Platz von Rijeka steht eines Statue des Komponisten und Dirigenten Ivan Zajc.
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Projekte wie das Sterndenkmal sorgten 2020 für Diskussionen bei Nationalisten, die aber in der seit über 70 Jahren durchgehend links regierten Stadt nicht viel zu reden haben. Einen Rechtsruck gab es hier nie. Rijeka, das italienisch Fiume und deutsch St. Veit heißt, war stets eine vielsprachige, multikulturelle und weltoffene Arbeiterstadt. Schon 1903 legten hier Passagierschiffe nach New York ab. Damals waren Emigranten auf der Durchreise, heute fahren Urlaubende mit der Fähre auf die Inseln Cres oder Krk.

Das neue Hilton, eine elegante, wellenförmige Glasburg.
Foto: Colette M. Schmidt

Aber es lohnt sich zu bleiben und die Suche nach dem Meer nicht aufzugeben. Wer aufs Wasser schauen will, kann das nämlich vom Fußballstadion Kantrida aus, das 1912 erbaut wurde und Heimstätte des HNK Rijeka war. "Wenn Sie mit Fischern Schach oder Karten spielen und Kaffee und Bier zu moderaten Preisen trinken wollen, gehen Sie in den Kantrida-Hafen", hat Cvijanović den richtigen Tipp.

Der Blick von der Lobby und vom Dach auf die Kvarner Bucht ist sensationell.
Foto: Colette M. Schmidt

Seit genau einem Jahr gibt es sogar ein Fünfsternehotel mit eigenem Strand. Stadtauswärts Richtung Opatija, abseits der Kräne hat 2021 das Hilton Costabella Rijeka eröffnet. Es blickt wie eine elegante blaue, teils wellenförmige Glasburg über die Kvarner Bucht. Auf dem Dach prangt kein roter Stern, sondern das Restaurant Nebo mit einem Michelin-Stern. Hier wird mit regionalen Lebensmitteln den verschiedenen kroatischen Regionen von Istrien über Slawonien bis Dalmatien ein kulinarisches Denkmal gesetzt. (Colette M. Schmidt, 8.7.2022)