Derzeit gibt es weltweit 68 bestätigte Fälle der neuen Omikron-Variante. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher sein.

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Weltweit gibt es gerade einmal 68 bestätigte Fälle der neuen Omikron-Variante mit dem Namen BA.2.75, und trotzdem zeigen sich einige Fachleute besorgt. Denn genauso wie bei BA.5 – der gerade in Österreich vorherrschenden Variante – ist auch die neue Mutation mit BA.2 verwandt. Und die hat bekanntlich im Frühjahr in Österreich für die höchsten Infektionszahlen bisher gesorgt.

Auch wenn man über die neue Variante noch nicht sehr viel weiß, klar ist: Trotz der gemeinsamen Abstammung von BA.2 unterscheiden sich BA.5 und BA.2.75 relativ deutlich voneinander. Während BA.5 drei zusätzliche Mutationen auf dem Spike-Protein vorweisen kann, sind es bei BA.2.75 gleich acht neue Mutationen. Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erklärt: "Um das Ausmaß der Mutationen zu verstehen, müssen wir zurück auf die Delta-Variante blicken. Diese Corona-Variante hatte insgesamt nur acht Mutationen auf dem Spike-Protein. Omikron BA.2 hatte bereits 29 Mutationen, und bei der neuen Variante BA.2.75 kommen noch acht weitere Mutationen dazu." Was diese Mutationen bedeuten, darüber kann im Moment jedoch nur spekuliert werden.

Neue Variante in mehreren Ländern entdeckt

Die neue Variante scheint sich derzeit neben BA.5 in Indien auszubreiten. Genaue Daten fehlen jedoch noch, da es nur sehr wenige Sequenzierungen gibt. Was bekannt ist: "In Indien gab es kaum BA.1-Infektionen, dafür eine sehr ausgeprägte BA.2-Welle, und demnach ist auch die Immunität gegen BA-2 in der Bevölkerung relativ hoch", weiß Elling. Er erklärt weiter: "Wenn sich BA.2.75 nun tatsächlich in Indien ausbreitet, dann spricht einiges dafür, dass diese neue Variante einen BA.2-Immunschutz relativ gut umgehen kann."

Um mehr über BA.2.75 erfahren zu können, gilt es nun, beide Varianten in Indien gut zu beobachten. Ein mögliches Szenario wäre: Eine der beiden Omikron-Varianten setzt sich in Indien durch. Der Molekularbiologe hält jedoch auch ein weiteres Szenario für denkbar: "Es könnte auch dazu kommen, dass beide Varianten eine Koexistenz eingehen, also nebeneinander existieren."

Infektionen mit BA.2.75 wurden bisher aber nicht nur in Indien gemeldet. Auch in Amerika, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Deutschland gibt es bereits bestätigte Fälle. Darum geht Elling auch davon aus, dass die Zahlen um einiges höher sind als die bisher bestätigten: "Die Tatsache, dass die Variante bereits in einigen anderen Ländern angekommen ist, lässt die Vermutung zu, dass es bereits viel mehr Infektionen in Indien mit BA.2.75 gibt als bisher bekannt."

Viele Spekulationen

Was die neue Variante für die Immunität oder gar Schwere der Erkrankungen bedeuten könnte, "lässt sich im Moment noch gar nicht sagen", weiß der Experte. Dennoch hat er eine Theorie: "Wenn BA.2.75, wie angenommen, den Immunschutz von BA.2 besser umgehen kann als BA.5, dann könnte diese neue Variante für eine neue Welle in Österreich verantwortlich werden." Derzeit sorgt BA.5 bei uns für recht hohe tägliche Infektionszahlen, dennoch "dürfte ein Großteil der Bevölkerung aufgrund einer vorangegangenen Infektion mit BA.2 noch recht gut vor einer Ansteckung mit BA.5 geschützt sein", weiß Elling. Mit BA.2.75 könnte sich das jedoch ändern und die Zahlen noch weiter ansteigen.

Und auch darüber, was die neue Omikron-Variante bezüglich der angepassten Omikron-Impfstoffe bedeuten würde, kann derzeit nur spekuliert werden. Die US-Zulassungsbehörde FDA hat bereits vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass sie ein Update der Impfstoffe auf die Variante BA.5 empfiehlt. Wenn sich die neue Variante BA.2.75 durchsetzen sollte, könnte das jedoch bereits wieder zu spät sein, wie der Experte zu bedenken gibt: "Es könnte sein, dass der angepasste Impfstoff an BA.5 erst fertig und zugelassen sein wird, wenn BA.5 bereits wieder abgelöst worden ist." Da sich die Omikron-Varianten BA.5 und BA.2.75 voneinander durch elf Mutationen unterscheiden, "könnte auch dieser angepasste Impfstoff wieder zu spät kommen und nicht so gut vor Ansteckung schützen wie gehofft." (Jasmin Altrock, 5.7.2022)