In Brüssel, wo Santawys Freundin lebt, wurde für den jungen Ägypter demonstriert.

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Die Grünen im österreichischen Parlament nennen es einen Affront: Einen Tag nach dem freundschaftlichen Besuch der beiden ÖVP-Minister Alexander Schallenberg und Gerhard Karner in Kairo wurde dort, an seinem 31. Geburtstag, Ahmed Samir Santawy von einem Sondergericht zu drei Jahren Haft verurteilt. Keine Berufung möglich. Der Student der renommierten Wiener Central European University (CEU) sitzt bereits seit Februar 2021 im Gefängnis – und da werden wohl nun auch die einzig halbwegs realistischen diplomatischen Aktivitäten ansetzen. Er hat beinahe die Hälfte seiner Haftstrafe verbüßt, die Hoffnung ist, dass er in absehbarer Zeit zumindest zu seinen Eltern nach Hause kann.

Auf dem Umweg über Amnestien des autoritär regierenden Präsidenten Abdelfattah al-Sisi – sogar der 2011 im Arabischen Frühling gestürzte Hosni Mubarak hätte von ihm noch etwas lernen können – sind in den vergangenen Monaten einige Personen freigekommen, die als aus politischen Gründen Verurteilte, als Systemopfer galten. Auch die Vorwürfe gegen Santawy stellen allen, denen akademische und persönliche Freiheit etwas gilt, die Haare auf: Aus seinen sozialanthropologischen Forschungen zu weiblichen Reproduktionsrechten in Ägypten und ein paar kritischen Äußerungen über die Corona-Politik der Regierung in sozialen Medien konstruierte die ägyptische Justiz Regimefeindlichkeit und Agitation. Im heutigen Ägypten folgt der Vorwurf der Zugehörigkeit zu den Muslimbrüdern – das bedeutet einen automatischen Terrorismusverdacht – auf dem Fuß.

Stellenwert der Menschenrechte

Santawy ist kein österreichischer Staatsbürger. Was die österreichische Regierung für ihn tun kann, ist beschränkt. Dennoch macht die Abfolge von Besuch und Verurteilung einen besonders schlechten Eindruck. Außenminister Schallenberg und Innenminister Karner waren in Kairo, um die Zusammenarbeit in Migrationsfragen zu vertiefen. Dem Eindruck, dass uns vieles egal ist, was dort passiert, wenn sie uns nur die Menschenmassen vom Hals halten, hatte Schallenberg im Vorfeld mit der Versicherung zu entkräften versucht, dass Menschenrechte in der österreichischen Außenpolitik einen hohen Stellenwert genießen.

Die ägyptische Regierung würde auf alle Beschwerden mit dem Hinweis auf die "unabhängige Justiz" antworten. Tatsächlich braucht diese Justiz keine Anweisungen zur Strenge von oben, so sehr ist sie mit dem Regime verquickt. Gerade deshalb ist das große Kulturland Ägypten inzwischen zum verbotenen Pflaster für junge Forscher und Forscherinnen aus der ganzen Welt geworden.

Soziale Fragen sind aus Sicht des Regimes besonders gefährlich: Im Juni wurde einmal mehr der Prozess des jungen Kopten Patrick Zaki, der an der Universität Bologna studiert und ein Jahr vor Santawy verhaftet wurde, vertagt – er soll nun im September stattfinden. Zaki hat ebenfalls zu Genderfragen gearbeitet. Er ist – nach 22 Monaten im Gefängnis – zumindest auf freiem Fuß, aber das Urteil steht ihm noch bevor. Und niemals dürfen wir den italienischen Doktoranden Giulio Regeni vergessen, der wegen seiner Recherche zu ägyptischen Gewerkschaften 2016 vom Geheimdienst umgebracht und auf eine ägyptische Straße geworfen wurde. (Gudrun Harrer, 5.7.2022)