Die größten Tech-Konzerne sollen reguliert werden.

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Amazon, Apple, Google und Facebook: Kommendes Jahr tritt ein neues Gesetzespaket der Europäischen Union in Kraft, das die größten Tech-Konzerne strengeren Regeln unterwirft. Während der Digital Services Act (DSA) gesellschaftliche Probleme wie Hassrede und Desinformation in Angriff nimmt, soll der Digital Markets Act (DMA) mittels wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen eine weitere Monopolbildung verhindern und auch kleineren Unternehmen eine Überlebenschance garantieren.

Nachdem sich die EU-Institutionen bereits im Frühjahr vorläufig geeinigt hatten, nahm das EU-Parlament am Dienstag beide Gesetze mit großer Mehrheit an. Diese sollen garantieren, dass das, was in der analogen Welt verboten ist, auch in der digitalen Welt nicht erlaubt ist, liest man in einer Aussendung der Gesetzgeber. In Wirklichkeit sorgt die Umsetzung von DSA und DMA dafür, dass der digitale Raum erstmals seit 20 Jahren einem umfassend aktualisierten Regelwerk unterworfen wird.

Wer betroffen ist

Betroffen sind ausschließlich sogenannte Gatekeeper, also die mächtigsten Tech-Konzerne, die eine zentrale Rolle im Leben europäischer Bürgerinnen und Bürger spielen. Um in diese Kategorie zu fallen, müssen Unternehmen Plattformdienste wie Internetbrowser, Suchmaschinen, Messenger oder soziale Medien betreiben und mindestens 45 Millionen monatliche Nutzer haben. Zusätzlich schreibt die EU einen Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro oder eine Marktkapitalisierung von 75 Milliarden Euro vor.

Digital Markets Act

Facebook und Co werden durch den DMA dazu verpflichtet, eine Interoperabilität ihrer Messenger-Dienste zu garantieren. Wer Whatsapp nutzt, soll dadurch auch Nachrichten an kleinere Konkurrenten wie Signal schicken können, wenn diese ihre Systeme öffnen wollen. Dadurch soll verhindert werden, dass Menschen in das Ökosystem eines einzelnen, marktdominanten Konzerns eingeschlossen werden.

Gerade Apple dürfte das sauer aufstoßen, denn auch Smartphone-Betriebssysteme müssen geöffnet werden. Dadurch soll es Kundinnen und Kunden möglich sein, ungewünschte Applikationen zu löschen und alternative App-Stores zu verwenden. Derzeit sind iPhone-User dazu gezwungen, die Apple-eigene Infrastruktur zu nutzen – die es Apple erlaubt, hohe Provisionen einzustreichen.

Zudem dürfen Unternehmen ihre eigenen Dienste nicht besser positionieren oder bewerten als jene der Konkurrenz. Google musste wegen entsprechender Praktiken bereits Strafen in Millionenhöhe bezahlen, zum Beispiel 2021 auf Anordnung der französischen Wettbewerbsbehörde. Wegen der Bevorzugung eigener Werbedienste war eine Strafzahlung in Höhe von 220 Millionen Euro fällig.

Digital Services Act

Auch den DSA dürften EU-Bürger direkt zu spüren bekommen. Unter anderem bringt das Gesetz Einschränkungen der personalisierten Werbung mit sich. Künftig ist es Gatekeepern grundsätzlich verboten, personalisierte Werbung an Minderjährige auszuspielen oder sensible Daten für das Tracking zu nutzen.

Ein wichtiger Punkt ist außerdem das Verbot von sogenannten Dark Patterns, also der irreführenden Gestaltung von Webseiten. Diese sollen Userinnen und User zum Beispiel dazu verleiten, nervige Cookie-Banner zu akzeptieren, wenn sie die Nachverfolgung eigentlich lieber ablehnen würden.

Darüber hinaus schreibt sich die EU den verstärkten Kampf gegen Hassrede und illegale Inhalte groß auf die Fahnen. Plattformbetreiber sind künftig verpflichtet, der Meldung problematischer Inhalte verstärkt nachzugehen und Löschungen in eindeutigen Fällen innerhalb von 24 Stunden durchzuführen. Von Sperren betroffene Personen können sich hingegen bei eigens einzurichtenden Behörden beschweren. Die Fälle sollen dann geprüft werden.

Aber nicht nur das: Um Entscheidungsprozesse besser nachvollziehen zu können, müssen Gatekeeper sowohl Behörden als auch ausgewählten Forscherinnen und Forschern Zugang zu ihren Daten und Algorithmen gewähren. Grundsätzlich wird ihnen zudem vorgeschrieben, sogenannte Systemrisiken einzudämmen. "Dazu gehören die Verbreitung illegaler Inhalte und nachteilige Auswirkungen auf die Grundrechte, Wahlprozesse, geschlechtsspezifische Gewalt oder psychische Gesundheit", schreibt das EU-Parlament. Die Bemühungen sollen von einer unabhängigen Stelle geprüft werden.

Kritik

Grundrechtsorganisationen begrüßen die Entscheidung der EU grundsätzlich. "Die Europäische Union hat gute Arbeit geleistet, indem sie die allerersten demokratischen Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung illegaler Inhalte und Online-Desinformation eingeführt hat. Der DSA bietet die dringend benötigten Instrumente, um die Verantwortlichkeit der Plattformen durchzusetzen", sagt zum Beispiel Sebastian Becker Castellaro von EDRi. Man werde jedoch weiterhin regulatorische Alternativen fordern, um das "vorherrschende Geschäftsmodell der Überwachung anzugehen".

Laut der NGO könne der Digital Services Act bloß der Anfang eines fundierten Wandels sein. Auf der Kehrseite könnten die geplanten Maßnahmen zur Eindämmung von Hassrede auch negative Auswirkungen haben. Grund seien fehlende Mechanismen zum Schutz der Meinungsfreiheit, die auch zur Löschung von legalen Inhalten führen werden.

Ähnlich sieht das Petra Schmidt vom österreichischen Datenschutzverein Epicenter Works. Laut ihr sei der DSA ein Meilenstein für die Erreichung eines lebenswerteren Internets für die Bevölkerung. Gleichzeitig fehle im Gesetzestext jedoch "ein Recht auf Verschlüsselung oder ein Verbot von Überwachungswerbung", sagt Schmidt gegenüber dem STANDARD.

Was nun passiert

Dass Gatekeeper sich an alle neuen Regeln halten, soll unter Androhung von Sanktionen garantiert werden. Bei Verstößen drohen Strafen in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweit erzielten Jahresumsatzes. Bei wiederholten Verstößen fallen bis zu 20 Prozent des Jahresumsatzes an.

Andreas Schwab, Berichterstatter für das Gesetzt für digitale Märkte, kommentiert die Entscheidung folgendermaßen: "Mit dem DMA beendet die EU das Katz-und-Maus-Spiel, in welchem die Wettbewerbsbehörden den Digitalriesen in langwierigen Verfahren hinterhergehinkt sind." Laut ihm setze der DMA die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft online durch – und garantiere somit einen fairen Wettbewerb.

Der DSA soll laut Berichterstatterin Christel Schaldemose außerdem den "Wildwest-Methoden" in der digitalen Welt ein Ende setzen. "Wir schauen hinter den Vorhang der Algorithmen, damit wir die Geldmaschinen hinter den sozialen Plattformen besser prüfen können."

Im nächsten Schritt muss der EU-Rat den Digital Markets Act (Juli) und den Digital Services Act (September) formell annehmen. Danach werden beide Gesetze im Amtsblatt der EU veröffentlicht und treten 20 Tage später in Kraft. Der DSA gilt für sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen – vier Monate nachdem die Kommission sie als Gatekeeper eingestuft hat. Anschließend haben sie sechs weitere Monate Zeit, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Der DMA gilt sechs Monate nach Inkrafttreten. (Mickey Manakas, 5.7.2022)