Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) will einen möglichst raschen Anschluss des Gasspeichers Haidach in Salzburg an das österreichische Gasnetz.

Foto: apa / roland schlager

Österreich ist gesegnet mit Gasspeichern. Etwa ein Jahresbedarf hat in den unterirdischen Kavernen, die sich im niederösterreichischen Weinviertel und im Grenzgebiet Oberösterreich, Salzburg befinden, Platz – theoretisch. Praktisch kann man nie alles Gas entnehmen, weil der Druck dann zu stark nachlassen würde und die Gefahr bestünde, dass die Speicherfähigkeit in den unterirdischen Gesteinsschichten nachlässt – sprich dass die Speicher unbrauchbar würden.

Speicher gibt es nicht nur in Österreich, wegen der Geologie und Geografie hier aber besonders viele. Österreich ist eine Gasdrehscheibe, wo deutlich mehr Gas ankommt, als verbraucht wird. Grund sind wichtige Pipelines, die seit Ende der 1960er-Jahre in Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze Gas aus Westsibirien hierherbringen. Große Mengen werden weiterverteilt nach Deutschland und Ungarn, sehr viel geht auch nach Italien. Die Speicher dienen als Zwischenlager, unter anderem um Lieferschwankungen, die es nicht nur jetzt, sondern auch früher gegeben hat, auszugleichen.

Speicher privat finanziert

Die Errichtung der Speicher hat weder in Österreich noch in Deutschland der Staat finanziert. Es sind vielmehr Unternehmen wie OMV und die mehrheitlich der EVN gehörende frühere Rohölaufsuchungsgesellschaft RAG, die Geld ausgelegt haben. Die RAG hat sich vor einiger Zeit in Renewables and Gas umbenannt, um ihren Fokus auch nach außen hin zu schärfen. Und es gibt Gazprom. Der russische Gasmonopolist hat vor gut 15 Jahren den Ausbau des Speichers Haidach finanziert, als allgemein noch wenig Interesse bestanden hat, Geld für einen Speicher auszugeben. Gas kostete so wenig, dass sich so eine Investition auch schwer rechnete – damals.

Der Speicher Haidach in Salzburg gehört der russischen Gazprom, die bald die Nutzungsrechte am Speicher verlieren dürfte.

Foto: APA / Barbara Gindl

Den Speicher in Haidach nahe der bayerischen Grenze, der bisher nur an das deutsche Netz angeschlossen ist, betreut übrigens die RAG. Das Unternehmen ist kürzlich angewiesen worden, eine Verbindung zum österreichischen Gasnetz herzustellen. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hofft, dass Gas aus Haidach "noch in diesem Winter" in das österreichische Netz fließt, wie sie am Dienstag sagte. So manche Experten halten das, gelinde gesagt, für "sehr ambitioniert".

Gashändler buchen Speicherplatz

Wem gehört nun das Gas, das in den Speichern ist? Es sind Gashändler wie OMV oder die deutsche Uniper, die Gas gegen Gebühr lagern; bei OMV geht das Geld sozusagen von der linken in die rechte Tasche, von der Abteilung Gashandel zum Speicherunternehmen OMV Gas Storage. Erstmals hat auch die Republik Österreich eine strategische Reserve eingespeichert. In einer Auktion wurden 7,7 Terawattstunden (TWh) Gas gekauft und quer über alle Speicher für den Notfall eingelagert. Kostenpunkt: 958 Millionen Euro.

Zum Vergleich: In allen österreichischen Speichern zusammen hat Gas mit maximal 95,5 TWh Platz. Eine TWh sind eine Milliarde Kilowattstunden. Damit verfügt Österreich pro Kopf der Bevölkerung das größte Speichervolumen. In absoluten Zahlen hat Deutschland deutlich mehr, es verfügt nach USA, Ukraine und Russland über die größten Gasspeichermöglichkeiten.

Auch große europäische Banken mischen übrigens in diesem Spiel aktiv mit. Sie kaufen Gas, verkaufen es und bedienen sich zwischendurch auch der Speicher. Es ist ein kommerzielles Geschäft, das bisher ziemlich klaglos funktioniert hat.

Günstig kaufen, teuer verkaufen

Meistens kauften Händler Gas günstig im Sommer, buchten Speicherplatz und verkauften das Gas in der Regel im Winter zu deutlich höheren Preisen – ein Spiel von Angebot und Nachfrage. Im Vorjahr war das plötzlich anders. Nach dem starken Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Pandemie sprang die Konjunktur derart an, dass die Gasnachfrage auch am Ende der Heizsaison nicht wie üblich zurückging, sondern deutlich in die Höhe schoss. Gleichzeitig, und dahinter vermuten Experten eine ausgeklügelte Strategie Russlands, hat Gazprom seine Speicher in Österreich und Deutschland sukzessive geleert und nicht wiederbefüllt. Das trieb den Preis nach oben und verleidete es anderen Händlern, Gas zu hohen Preisen einzukaufen und über die Sommermonate einzuspeichern.

Nach dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine waren plötzlich alle Verantwortungsträger aufgeschreckt. Die Füllstände der Speicher sollten bis zu Beginn der Heizsaison zumindest 80 Prozent erreichen, wurde von der Bundesregierung als Ziel ausgegeben. Österreichs Speicher sind aktuell zu 46 Prozent gefüllt. Und sie füllen sich stetig.

Füllstände in Deutschland höher

In Deutschland liegen die aktuellen Füllstände der – wenngleich weniger voluminöseren – Gasspeicher bei 62,27 Prozent. Der Speicher Rehden, in Niedersachsen, ist zu 22,13 Prozent befüllt.

Er ist der größte Gasspeicher Deutschlands und hatte sich bis zum Frühjahr in der Hand des russischen Staatskonzerns Gazprom befunden. Doch dessen Deutschland-Tochter hatte ihn, ähnlich wie Haidach, fast leer geräumt. Im März lag der Füllstand zwischenzeitlich nur noch bei 0,51 Prozent. Dann griff der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein und stellte Gazprom Germania und damit auch den Speicher Rehden unter Kontrolle der Bundesnetzagentur. Diese hält ihr Ziel für "erreichbar": einen Füllstand von 80 Prozent mit 1. Oktober und einen von 90 Prozent mit 1. November.

Sorgen wegen Nord Stream 1

In Habecks Ministerium heißt es zur Gesamtlage: "Die Gasflüsse aus Nord Stream 1 liegen derzeit bei etwa 40 Prozent der Maximalleistung. Sollten die russischen Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiterhin auf diesem niedrigen Niveau verharren, ist ein Speicherstand von 90 Prozent bis November kaum mehr ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar." Und weiter: "Von der Reduktion ist die Weitergabe von Gas in andere europäische Länder, wie zum Beispiel Frankreich, Österreich und Tschechien, betroffen."

Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) macht sich Sorgen um den Füllstand der Speicher.
Foto: epa

In Deutschland ist die Sorge, dass Russland nach der Wartung von Nord Stream 1 den Gashahn gar nicht mehr aufdrehen könnte, groß. Kanzler Olaf Scholz hat die Bürgerinnen und Bürger dieser Tage auf lang anhaltende, harte Zeiten mit hohen Preisen eingestimmt: "Die aktuelle Krise wird nicht in wenigen Monaten vorübergehen", sagte er zum Auftakt der sogenannten konzertierten Aktion. Dabei berieten Spitzenvertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften im Kanzleramt über mögliche Abfederungen für Konsumentinnen und Konsumenten. Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht, sie sollen im Herbst vorliegen.

Deutschland hat am 23. Juni die zweite Stufe im Gasnotfall-Plan ausgerufen. "Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen", sagte Habeck damals und appellierte an die Industrie sowie an private Verbraucher, Energie zu sparen.

Mehrkosten sozialisiert

Am Mittwoch wurde der Entwurf für die Reform des Energiesicherungsgesetzes verabschiedet. Demnach sollen Mehrkosten für Importe, die fehlendes russisches Gas kompensieren, gleichmäßig auf alle Kunden verteilt werden. Sonst wären diejenigen im Vorteil, deren Versorger jetzt schon Gas auch aus anderen Ländern beziehen.

"Die Unternehmen, die jetzt sehr viel russisches Gas haben, die haben ein echtes Problem", sagte Habeck mit Blick auf den in Not geratenen Uniper. Seit Mitte Juni bekommt der größte deutsche Gasimporteur nur 40 Prozent der Gaslieferungen, die Gazprom vertraglich zugesagt hat. Uniper könne flexibel mit anderweitigen Einkäufen darauf reagieren und den eigenen Kunden Versorgungssicherheit garantieren. Jedoch gehe das nur zu "deutlich höheren Preisen", so Habeck. Man sei daher im Gespräch über Staatshilfen. (Günther Strobl, Birgit Baumann, 6.7.2022)