Johannes Rötzer widmet sich der Ausrichtung von Zellstrukturen

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Als Kind habe ich mir oft zu diversen Anlässen altersgerechte Sachbücher gewünscht, die habe ich dann so verschlungen wie andere ihre Fantasy-Romane. Ich wollte immer schon wissen, was die Welt zusammenhält, was die großen Geheimnisse der Natur sind. Ich brachte es schließlich zum Deutschlehrer, diese Ausbildung war mir aber nicht genug, dazu war die Faszination für die Natur einfach zu groß.

Ich habe Biologie und in weiterer Folge Botanik als Masterstudium studiert. In meinem Doktoratsstudium verwende ich als Modellsystem das Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha), eine Pflanze, die auf allen Kontinenten vorkommt. Viele meiner jungen Kolleginnen und Kollegen beforschen diese Pflanze, weil man an ihr die Pflanzengenetik sehr gut studieren kann. Marchantia wurde zuletzt zu einer Art zweitbeliebtester Modellorganismus neben der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana).

Ich selbst analysiere in meinem PhD-Projekt, welche Rolle blaues Licht bei der Etablierung von Zellpolarität spielt. Mich interessiert der Vorgang rund um die erste Zellteilung, wenn die einzellige, apolare Spore zu einer zweizelligen, polaren Struktur ausdifferenziert wird. Meine Hypothese ist, dass Blaulichtrezeptoren für diesen Entwicklungsprozess unerlässlich sind. Vieles, was wir heute erforschen, ist durch die Arbeit von Gregor Mendel, durch die Vererbungslehre, erst möglich.

In der Art und Weise, wie er zu dieser Entdeckung kam, ist er für mich ein Vorbild: Mendel war ein akribischer, hypothesengeleiteter Arbeiter, der detailreiche Aufzeichnungen machte. Ich frage mich manchmal, woran Mendel heutzutage arbeiten würde. Vielleicht wäre er ein auf Umwelt- und Naturschutz fokussierter Mönch, der auf das massive Insektensterben aufmerksam macht. Mit Bienenzucht hat er sich ja wirklich beschäftigt.

Marieke Trasser beschäftigt sich mit springenden Genen

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Ich bin mehr oder weniger zufällig zur molekularen Pflanzenbiologie gekommen. Ich hatte während des Biologiestudiums an der Universität Grenobles Alpes in Frankreich einen Botanikprofessor, der mich für das Thema begeistern konnte und mir zeigte, wie gut man an Pflanzen biologische Grundkonzepte des Lebens studieren kann.

In meiner Doktoratsarbeit beschäftige ich mich mit Transposons, das sind DNA-Sequenzen, die innerhalb der DNA ihren Standort wechseln können. Diese springenden Gene können beim Menschen etwa Krebs und genetische Erkrankungen verursachen. Die Transposons können auch in der Pflanzenwelt zu Problemen führen, indem sie die Produktion von Nutzpflanzen beeinträchtigen. Ich untersuche, wie diese springenden Gene von Pflanzen erkannt und stillgelegt werden. Die meisten Forschenden am Gregor-Mendel-Institut arbeiten wie ich mit Arabidopsis thaliana, der Acker-Schmalwand, der weißen Labormaus der Pflanzenbiologie. In unserem Labor arbeiten wir auch mit neuen spannenden Modellorganismen wie Teichlinsen. Sie bildet an der Wasseroberfläche freischwimmende Inseln aus blattartigen Sprossen und helfen uns, die Mechanismen zu verstehen, die für das Stilllegen von Transposons verantwortlich sind. Derzeit stecke ich tief in der Laborarbeit und mache mir noch nicht viele Gedanken über die Zukunft. Ich möchte aber in der Forschung bleiben, ob es nun Grundlagenforschung sein wird, weiß ich nicht. Mich würde auch eine Zukunft in der Anwendung gefallen.

Wenn Sie mich nach Gregor Mendel fragen, muss ich sagen: Unsere Forschungsarbeit wäre ohne ihn kaum möglich. Wir können so eine Vorhersage treffen, welche Merkmale wir bei Züchtungen zur nächsten Generation bringen und welche nicht. Das sind Fakten, die aus der Pflanzenbiologie nicht mehr wegzudenken sind.

Susanna Streubel erforscht die ersten Landpflanzen der Welt

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Gregor Mendels Vererbungslehre ist Schulwissen, dem ist jedes Kind irgendwann einmal begegnet. Seine Arbeit als Wissenschafter ist vorbildhaft, weil er sein Ziel akribisch und geduldig verfolgt hat. Ich kann dank Mendels Werk bis auf wenige Ausnahmen vorhersagen, was aus einer Kreuzung entsteht. Im Studium hat Mendel eine besondere Rolle gespielt und hat dazu beigetragen, dass mich die Genetik besonders fasziniert hat.

Ohne Pflanzen gäbe es auf der Welt kein Leben. Die Gruppe um Liam Dolan hier am Gregor-Mendel-Institut ist eine der größten weltweit, die vor allem mit Lebermoos arbeitet. Der Wert dieser Pflanze als genetisches Modell liegt darin, dass sie als eine der Ersten auf Land wuchs, und das schon vor etwa 480 Millionen Jahren. Blüten und Blätter hat sie nicht, dafür sind essenzielle Gene schon in dieser frühen Pflanze vorhanden. Der Modellorganismus wird seit gut zehn Jahren genauer erforscht.

Ich mache gerade den Postdoc, aber danach ist mit der Grundlagenforschung Schluss. Dafür muss man brennen, und das ist mir mit der Zeit verloren gegangen. Ich möchte mit meiner Forschung etwas erreichen, das direkt anwendbar ist. Ich kann mir etwa vorstellen, Agrarpflanzen auf den Klimawandel vorzubereiten oder die Agrarwirtschaft insgesamt nachhaltiger zu gestalten. Gentechnik hat derzeit einen sehr schlechten Ruf, es gibt viele Vorurteile. Wenn es aber darum geht, Agrarpflanzen gegen stärker auftretende Krankheitserreger resistenter zu machen, sollte man zum Beispiel die Nutzung der Gen-Schere CRISPR, bei der ja kein fremdes Genmaterial im Pflanzenorganismus bleibt, liberaler gestalten als zuletzt.

Vielleicht gehe ich aber auch in die Wissenschaftskommunikation. Das wäre ebenfalls eine Option für mich, denn es ist wichtig, die Gesellschaft über den Wert der Wissenschaft aufzuklären.

Sebastian Deiber untersucht Frühstadien der Entwicklung von Pflanzen

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In meiner Forschung beschäftige ich mich mit dem Lebermoos als Modellorganismus, dabei interessiert mich vor allem der Einfluss von rotem Licht auf die Entwicklung der Spore. Die These ist, dass das rote Licht wichtige Abläufe in der frühen Entwicklung der Pflanze steuert, welche aus der Spore entsteht. Es ist schon faszinierend, derlei molekularbiologische Studien an einem standortgebundenen Organismus zu untersuchen. Man sieht, wie vielschichtig natürliche Prozesse ablaufen.

Ich bin wie alle Pflanzenbiologen ein Profiteur von Gregor Mendels Werk. Wann immer ich Pflanzen kreuze, kann ich vorhersehen, welches Verhältnis von Genotypen mich erwartet. Man weiß, dass die mendelschen Gesetze nicht immer zutreffen, zum Beispiel, wenn die Gene nah aneinanderliegen. Durch seine Akribie ist Mendel sicher ein Vorbild für viele Wissenschafter, sein Schaffen gewiss eine Inspiration, obwohl die Zeit doch eindeutig eine andere ist. Heute muss man in der Forschung auch eine hohe Frustrationstoleranz haben. Es gibt viele Rückschläge, und wenn man die nicht toleriert, schmeißt man zwangsläufig hin. Ich verstehe Wissenschafter und Wissenschafterinnen, die irgendwann einmal sagen: Es ist genug.

Mendel wäre heute sicher kein Molekularbiologe. Das Fach hat sich in der großen Zeitspanne stark weiterentwickelt, man kann das nicht mehr als Mönch nebenbei machen. Vielleicht wäre er Bioinformatiker und würde nachts am Computer vergleichende Genomik betreiben. Meine Zukunftsplanung ist relativ klar. Als Konsequenz der schwierigen Karriereplanung werde ich womöglich nicht Wissenschafter bleiben. Ich möchte raus aus dem Labor und Wissenschaftsjournalist werden. Auch kein leichter Job, ich weiß, aber ich stelle es mir interessant vor, mit so vielen unterschiedlichen Fachgebieten in Berührung zu kommen. (Peter Illetschko, 20.7.2022)