Wut und Ärger haben vielfältige Ursachen, manchmal hilft aber ein kleiner Snack dagegen.

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Wenn Sie eine Gehaltserhöhung fordern wollen, empfiehlt es sich, auf die Uhrzeit zu achten. Termine mit Vorgesetzten knapp vor der Mittagspause dürften nicht unbedingt erfolgsfördernd sein: Ein leerer Magen sorgt bei vielen Menschen für Gereiztheit, Ärger und Ungeduld. "Hangry" nennt man dieses Phänomen im Englischen, das Kofferwort aus hungry und angry hat sich längst auch im deutschsprachigen Raum etabliert.

Ein internationales Forschungsteam hat den Effekt nun eingehender untersucht und legt empirische Daten vor, die zeigen: Das Hungergefühl beeinflusst unsere Emotionen tatsächlich stark, auch wenn Betroffene den Zusammenhang selbst oft nicht bemerken.

Hungrig und grantig

Schon frühere Experimente zeigten, dass ein niedriger Blutzuckerspiegel mit schlechter Laune und höherer Aggressivität korreliert. Eine Untersuchung aus den USA deutete etwa vor einigen Jahren darauf hin, dass Paare heftiger miteinander streiten, wenn ihr Zuckerspiegel niedrig ist. Ein Team um Stefan Stieger von der Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems und Viren Swami von der Anglia Ruskin University in Cambridge hat nun erstmals über mehrere Wochen hinweg den Gemütszustand und das Hungergefühl bei Erwachsenen im Alltag analysiert.

Für die im Fachblatt "Plos One" veröffentlichte Studie mussten 64 Probandinnen und Probanden fünfmal täglich Fragen in einer eigens entwickelten App beantworten. Abgefragt wurden unter anderem die aktuelle Gefühlslage, die Hungersituation und die Schläfrigkeit der Teilnehmenden. "Wir haben klar gesehen, dass es einen Zusammenhang gibt", sagt Stieger. "Die Zeitpunkte, zu denen sich die Leute hungriger fühlten, waren auch jene, zu denen die Werte bei Gereiztheit und Ärger höher waren. Wenn sie nicht hungrig waren, war es genau umgekehrt."

Unbemerkt hangry

Der Effekt war unabhängig von Alter, Geschlecht und Ernährungsgewohnheiten der Studienteilnehmer feststellbar. Für Betroffene sei es oft gar nicht so klar, dass sie "hangry" sind, da sich die Faktoren dafür oft knapp an der Wahrnehmungsschwelle bewegen. "Die Leute wissen oft gar nicht, dass der Grund, wieso sie gerade verärgert sind, vielleicht mit einem Hungergefühl zusammenhängt – in der Situation bleibt das oft unbemerkt." Mehr Bewusstsein für diesen Zusammenhang zu entwickeln, könnte durchaus positive Effekte haben.

Wann wäre aber nun der ideale Zeitpunkt für die Gehaltsverhandlung? Eine Antwort darauf gibt die aktuelle Untersuchung nicht. Direkt nach der Mittagspause jedenfalls vorsichtshalber auch nicht: Noch besser untersucht als der Hungergrant ist nämlich das Mittagstief, das nach dem Essen kommt. (David Rennert, 7.7.2022)