Große Wartung im Gaskraftwerk Wien-Donaustadt (im Bild die freigelegte Turbine): Hier laufen bereits Vorbereitungen für die Beimischung von Wasserstoff.

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Sparen, sparen, sparen. Das ist die Devise, die bei Energie nun auch in Österreich langsam Oberwasser gewinnt. Was hohe Preise bisher noch nicht oder in zu geringem Ausmaß vermocht haben, soll nun per Verordnung gelingen: den Gasverbrauch in den kritischen Wintermonaten zu senken, indem, wo immer möglich, alternative Brennstoffe eingesetzt werden. Das wird bei den Großverbrauchern von Gas in den meisten Fällen Öl sein.

Nur – zu große Erwartungen in das Einsparpotenzial solcher Aktionen, die Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit Ankündigung einer entsprechenden Verordnung nach dem Energielenkungsgesetz geweckt hat, darf man auch nicht setzen. Das hat zumindest ein Rundruf des STANDARD ergeben.

3.500 MW nicht umstellbar

Wenn man die Kapazitäten der thermischen Kraftwerke in Österreich zusammenzählt, kommt man in Summe auf etwa 4.200 Megawatt (MW). Davon lassen sich dem Vernehmen nach gut 3.500 MW definitiv nicht von Gas- auf Ölbetrieb umstellen. Dabei spielt nicht zuletzt das Alter der Anlagen eine Rolle. Die meisten Kraftwerke älteren Datums sind von der Grundkonzeption auf bivalenten Betrieb ausgerichtet, können also ohne großen Umbau sowohl mit Gas als auch mit Öl betrieben werden.

Thermische Kraftwerke jüngerer Generation hingegen sind speziell für das Beschicken mit Gas designt, eine Umrüstung wäre entweder gar nicht möglich oder käme unverhältnismäßig teuer.

Verbleiben somit rund 380 MW, bei denen technisch eine Umstellung von Gas auf Öl notfalls möglich wäre. Das betrifft etwa neun Prozent der thermischen Kraftwerksleistung in Österreich.

Revitalisierung mit Kohle

Weitere 200 MW sollen von Gas auf Kohle umgestellt werden. Dabei handelt es sich um das frühere Verbund-Kohlekraftwerk Mellach bei Graz, das zwischenzeitlich auf Gasbetrieb umgestellt und dann stillgelegt wurde. Jetzt wurde der teilstaatliche Verbund damit beauftragt, Vorkehrungen für eine Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks mit Kohle zu treffen – im Notfall, wenn die Gasversorgung Österreichs gefährdet ist. Mellach entspricht etwa fünf Prozent der thermischen Kraftwerksleistung in Österreich.

Weit mehr Leistung bringen die Wasserkraftwerke im Land auf die Waage, die brauchen aber ohnehin keinen Brennstoff und sind aus der Ziehung.

Nicht inkludiert in der Rechnung sind reine Heizkraftwerke. Ein solches ist im Frühjahr in Salzburg von Gas- auf Ölbefeuerung umgestellt worden, ein weiteres befindet sich ebendort in Umbau. Gleich vier Heizkraftwerke gibt es in Wien – Spittelau, Leopoldau, Inzersdorf und beim Arsenal im dritten Bezirk. Alle vier können sowohl mit Gas als auch mit Öl betrieben werden.

Die Beschaffung von Heizöl leicht sei "kein Problem" gewesen, sagt Wien-Energie-Chef Michael Strebl: "Wir haben rechtzeitig mit dem Einkauf begonnen." 20.000 Tonnen habe man in Tanks, diese reichten allerdings nur für kurze Zeit, weil an kalten Tagen "einige Tausend Liter täglich" benötigt würden. Deshalb suche man zusätzliche Möglichkeiten, Heizöl einzulagern.

Zustimmung aus Industrie

Die am Dienstag verkündeten Vorhaben der Regierung, in Österreich vorsorglich verstärkt Gas zu substituieren und dabei auch Öl einzusetzen, werden von der Energiebranche, aber auch von der Industrie ausdrücklich begrüßt. "Damit wird Gas für die Speicherung freigemacht und somit die Versorgungssicherheit gestärkt", sagte eine Sprecherin der Industriellenvereinigung dem STANDARD. Die Voraussetzung dafür sei in den jeweiligen Unternehmen "äußerst unterschiedlich". Es gebe einige wenige Unternehmen – insbesondere der Energieversorgung –, die zeitnah umstellen könnten, und solche, die mit einigen Monaten Vorlauf und beträchtlichen Investitionen auf andere Energieträger umstellen könnten. Daneben gebe es aber gar nicht wenige, wo eine Umstellung aus prozesstechnischen Gründen nicht möglich sei.

Im Gas- und Dampfkraftwerk Wien-Donaustadt wird auch eine Umstellung auf Öl überlegt, aufgrund des notwendigen Vorlaufs sei dies aber für die kommende Heizsaison so gut wie nicht mehr zu schaffen, sagt Wien-Energie-Chef Strebl. Dort laufen zurzeit Vorbereitungen für den Einsatz von Wasserstoff. 2023 sollen im weltweit ersten Praxisversuch dem Erdgas 15 Prozent Wasserstoff beigemischt werden mit dem Ziel, 2030 die 100-Prozent-Marke zu erreichen. (Günther Strobl, 6.7.2022)