"Ich komme ohne Flugzeug überallhin. Das haben Leute schon sehr viel früher so gemacht." Katharina Pichler macht wegen ihrer Flugangst Fernreisen mit dem Zug und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Landweg.

Foto: Katharina Pichler

Drei Tage im offenen Abteil mit 52 Personen mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis nach Irkutsk. Auch in der Holzklasse hat jeder sein Bett. Auf den unteren Schlafplätzen sitzen untertags alle Passagiere, trinken Tee und quatschen. Zum Schlafen legt sich die Hälfte der Fahrgäste dann nach oben unter das Wagondach.

"Ein Schlafsaal mit 52 Personen, der sich bewegt", so beschreibt Katharina Pichler ihre Reise mit dem Zug nach Schanghai vor einem Jahrzehnt. Als Studentin nahm die Salzburgerin die Fahrt auf der längsten Eisenbahnstrecke der Welt auf sich, um ein Semester in China zu studieren. "Wegen meiner Flugangst ging Fliegen auf keinen Fall", sagt Pichler, die im Kleinen Theater arbeitet. "Aber ich habe gleich gesagt, das ist ja egal – ich kann ja mit dem Zug fahren."

Gestartet ist die damalige Studentin in Salzburg. Von Wien ging es in 33 Stunden zunächst nach Moskau, wo sie sich drei Tage lang die winterliche Stadt ansah. Einen Schlafplatz habe sie über Couchsurfing gefunden. Mit einem Profil auf dem Portal können andere angemeldete User gefragt werden, ob man kostenlos auf ihrem Sofa schlafen kann. Im Gegenzug bietet man anderen Reisenden seine eigene Couch an. In Moskau habe ihr ein Bekannter die Zugtickets bis zum Baikalsee besorgt. Es sei viel günstiger gewesen, die Fahrkarten direkt beim Schalter zu kaufen als über eine Agentur, und ihre Russischkenntnisse hätten noch nicht gereicht, meint Pichler. 89 Euro hat die dreitätige Fahrt in der dritten Klasse gekostet.

Mit der Transsibirischen Eisenbahn fuhr Pichler im Winter über den Jenissei-Fluss bei Krasnojarsk.
Foto: Reuters / Ilya Naymushin

"Die Leute wollten mir immer Fotos von ihrer Familie zeigen", schildert Pichler die Fahrt im offenen Abteil. "Für die war ich sehr exotisch. Sie haben sich wohl gedacht, was tut die da?" Die Ausländerin wurde von den vielen Familien und "schnarchenden Russen" jedoch herzlich aufgenommen. Gemeinsam wurde Tee getrunken, auch Essen sei ihr angeboten worden, doch das musste sie nach einer Suppenkostprobe meist ablehnen. "Ich esse ja kein Fleisch", sagt Pichler. Damit habe sie einige Russinnen und Russen verärgert.

Warten ohne Visum

Die Vorbereitungen für diesen ersten Trip im Jahr 2012 ließen rückblickend noch etwas zu wünschen übrig. "Ich hatte nicht alle Tickets. Ich dachte mir, nach Irkutsk wird es schon irgendwie weitergehen", erzählt Pichler. Doch dem war nicht so. Denn für die Weiterfahrt über die Mongolei fehlte ihr ein Transitvisum. Der nächste Zug, der nur auf russischem Gebiet bleibt und entlang der chinesischen Grenze fuhr, ging erst eine Woche später. Also wieder Couchsurfing.

Nach einer Woche am Baikalsee gönnte sich Pichler ein Upgrade. Die viertägige Fahrt nach Peking verbrachte sie in der zweiten Klasse in einem Viererabteil für umgerechnet 212 Euro. Das sei zwar sauberer, aber weniger aufregend gewesen. In Sabaikalsk an der Grenzstation zu China hieß es erneut warten: Zweimal acht Stunden dauerten die Grenzkontrollen. Von Peking nach Schanghai ging es schließlich mit dem Schnellzug. Die Reisezeit betrug nur viereinhalb Stunden mit einer Höchstgeschwindigkeit von 350 Stundenkilometer. Zum Vergleich: Die Transsib sei mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern gefahren.

Entschleunigung auf Schiene

Am besten gefallen habe ihr, dass es so lange dauere. Züge im Osten seien entschleunigend. "Du kommst runter, kannst lesen und in eine Landschaft schauen, die siehst du so schnell nicht wieder", sagt Pichler. Beim Blick aus dem Fenster zog die sibirische verschneite Winterlandschaft mit zahlreichen Birken vorbei. "Die Landschaft verändert sich und so auch das Menschenbild step by step."

Zurück vom Auslandsaufenthalt in Schanghai ging es im Sommer wieder mit der Transib vorbei am Baikalsee.
Foto: imago/imagebroker

Nach einem Semester an der Fudan University hieß es wieder Zugfahren. Diesmal aber nicht alleine. Eine Freundin sei nach Schanghai geflogen, um sie zu besuchen und anschließend auf dem Rückweg zu begleiten. Diesmal ging es mit Visum durch die Mongolei, und auch die bereits bekannte Strecke habe im Sommer komplett anders ausgesehen, sagt die 34-Jährige.

Die zweimalige Zugreise durch einen Kontinent war für die Wahlsalzburgerin keineswegs abschreckend. Bis heute reist sie nur noch so. Ein weiterer längerer Aufenthalt führte Katharina Pichler nach Georgien. In der Hauptstadt Tiblisi hat sie fünf Monate im Zuge eines Praktikums des Österreichischen Austauschdienstes an der Universität Deutsch unterrichtet. "Die Ausbildung für Deutsch als Fremdsprache habe ich gemacht, um eine Qualifikation zu haben, um in jedem Land arbeiten zu können", sagt Pichler, die heute im Kleinen Theater als Kuratorin arbeitet und für Öffentlichkeitsarbeit und Künstlerbetreuung zuständig ist.

In der georgischen Hauptstadt Tiblisi unterrichtete Pichler für ein Semester Deutsch als Fremdsprache. Die An- und Abreise bewältige sie mit Zug und Bus.
Foto: Stefanie Ruep

Auch hier war wieder klar: Fahren statt Fliegen. Von Salzburg ging es mit dem Zug nach Wien, mit dem Bus nach Belgrad und weiter nach Sofia. Nach einer Zugfahrt in die türkische Großstadt Istanbul verbrachte die Landreisende noch 30 Stunden im Bus nach Tiblisi, ohne Toilette, aber mit einem Halt, alle vier Stunden.

Es blieb nicht ihre letzte Fernreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Nach Kiew, Sankt Petersburg und Moskau sei sie ebenfalls entspannt mit dem Zug gereist, erzählt die 34-Jährige. Auch heute reist Pichler noch so. Sie ist gerade zurück von einem Urlaub auf Sylt. Die An- und Rückreise bewältigte sie diesmal mit dem Nachtzug direkt aus Salzburg. Als Nächstes stehe die Normandie, mit dem Nachtzug nach Paris und mit dem Bus weiter ins Landesinnere, auf dem Programm.

Atlantiküberquerung

Eine Herausforderung könnten die Reisepläne ihres Freundes werden, der nach Südamerika möchte. Aber die Nichtfliegerin ist optimistisch. "Ich komme ohne Flugzeug überallhin. Das haben Leute schon sehr viel früher so gemacht." Ist die erste Reise per Schiff über den Atlantik geschafft, wären auch Kanada und Alaska Destinationen, die auf der persönlichen Bucket-List stehen.

Welche Ziele sie sonst noch reizen? "Mit der höchsten Eisenbahn der Welt in Tibet möchte ich gerne fahren", sagt Katharina Pichler. Die 142 Kilometer lange, höchste Bahnstrecke nach Lhasa führt über mehr als 5000 Meter hohe Pässe. Da der Sauerstoffgehalt der Luft nur halb so hoch ist wie im Flachland, sind die Spezialwagons mit Sauerstoffgeräten bestückt. (Stefanie Ruep, 7.7.2022)