Die Eröffnungszeremonie der Madrid Pride ging am Mittwoch über die Bühne. Ganz unbeschwert verläuft das mehrtägige Fest allerdings nicht.

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Madrid feiert seit Mittwoch das größte Fest der Stadt. Nein, nicht das der Stadtjungfrau Almudena und auch nicht das des Schutzpatrons San Isidro, sondern den Orgullo – die Gay-Pride oder besser LGTBI-Pride. Dieses Jahr beginnt die Festwoche gleich mit Ärgernissen. Denn Bürgermeister José Luis Martínez Almeida legt den Organisatoren von Mado (einem Zusammenschluss von allerlei Schwulen-, Lesben- und Transorganisationen sowie den Gastronomie- und Kulturverbänden aus den entsprechenden In-Stadtteilen) Steine in den Weg, wo es nur geht.

Die Auflagen Almeidas vom Partido Popular, der in Koalition mit den Rechtsliberalen von Ciudadanos und der Unterstützung der rechtsextremen Vox regiert, würden "die Wegbarkeit der Feiern beeinträchtigen", beschwerte sich Mado nur wenige Stunden vor dem Festbeginn. "Aus Gründen, die nicht in der Verantwortung der Veranstalter liegen", musste für den ersten Tag gar ein Konzert auf der zentralen Plaza del Rey (Königsplatz) – oder Plaza de las Reinas (Königinnenplatz), wie er während des Festes heißt – abgesagt werden.

Salamitaktik gegen beliebtes Fest

"Dies ist nur ein weiteres Beispiel für den Ernst der Lage. Es war vorhersehbar: Sie versuchen, den normalen Ablauf des beliebtesten Festes in Madrid nach und nach einzuschränken, fast lautlos, ohne große Schlagzeilen", beschwert sich eine der von der Stornierung Betroffenen, die Elektropop-Sängerin Belenciana.

Almeida weiß, was seine rechtsradikalen Unterstützer wünschen. Seit er 2019 die Stadtverwaltung übernahm, hängt während der Orgullo-Festtage keine Regenbogenfahne mehr am Rathaus. Etwas, was im restlichen Spanien und auch in Großstädten anderswo in Europa und Amerika durchaus üblich ist. Für Vox ist die Regenbogenfahne "das Symbol einer Lobby".

Almeida schiebt immer wieder verwaltungstechnische Gründe vor. So sei das Konzert auf der Plaza de las Reinas nicht genehmigt worden, weil sich nicht weit weg eine Baustelle befinde. Das wäre ein Sicherheitsrisiko, heißt es aus der Stadtverwaltung. Die Konzerte auf einem weiteren Platz am Eingang zum LGBTQI-Viertel Chueca und auf der riesigen Plaza de España dürfen abgehalten werden, allerdings mit starken Auflagen.

Wichtiger Tourismusfaktor

Um 2.30 Uhr muss Schluss sein. Wenn nicht, droht eine Strafe und der Entzug aller städtischen Zuschüsse zum Fest. Die Begründung ist "der Schlaf der Anwohner" – was vor allem bei der Plaza España seltsam anmutet, die von Bürogebäuden und mit Orgullo-Gästen ausgebuchten Hotels umgeben ist. Dabei wurde in den vergangenen Jahren die Lärmverordnung immer ausgesetzt – "aus sozialen, wirtschaftlichen Gründen" und weil das Fest dem Ansehen der Stadt diene. Denn der Orgullo ist nicht irgendein Großereignis. Um die zwei Millionen Besucher kommen aus dem restlichen Spanien und aus aller Welt in der Woche des Orgullo. Madrid ist für viele die Hauptstadt des LGBTQI in Europa schlechthin. Hotel-, Gaststättengewerbe und Einzelhandel verbuchen 400 Million Euro Umsatz.

Almeidas Politik gegen alles Diverse betrifft auch andere. Seit 18 Jahren feiern die Muslime aus Bangladesch das Opferfest, Eid ul-Adha, mit einem öffentlichen Gebet auf einem Sportplatz im Multikulti-Viertel Lavapiés. Dieses Jahr erhielten sie keine Genehmigung. (Reiner Wandler aus Madrid, 7.7.2022)