Eine amphibische Orgie könnte vor Jahrmillionen zum gemeinschaftlichen Hinscheiden hunderter Frösche geführt haben.

Foto: EPA/JESUS DIGES

Im Geiseltal im Süden von Sachsen-Anhalt schließt sich die Natur über den Narben des Tagebaus. Auf der Suche nach Braunkohle rissen die Menschen die Landschaft auf – und förderten nicht nur den begehrten Brennstoff zutage. Denn dort, wo heute die Gräser langsam die Abraumhalden überwuchern, war vor 45 Millionen Jahren ein subtropischer, sumpfiger Wald. Unter dem Blätterdach grasten hundsgroße Vorfahren der Pferde, lauerten Krokodile und Riesenschlangen. Dicht über den Boden krochen Echsen, Kröten und Frösche. Der Sumpf des Geiseltals forderte über 50.000 Leben. Das Unglück der versunkenen Tiere ist jedoch für die Forschung ein Glücksfall.

Sanfte Todesfalle

Der Sumpf wurde zur Kohle und konservierte die Opfer für die Nachwelt. Ab den 1920er-Jahren wurden die beinahe perfekt erhaltenen Fossilien der Geiseltalbewohner geborgen. Die letzten Ausgrabungen fanden in den Nullerjahren statt, bevor das steigende Grundwasser die Fundstellen begrub. Die unzähligen Fossilien wanderten schließlich in ein Museum der Universität Halle-Wittenberg. Als Paläontologen dessen Bestände sichteten, fiel ihnen etwas Ungewöhnliches auf: Hunderte Fossilien beinahe unversehrter Frösche. Doch was könnte die Amphibien so sanft getötet haben?

Ein Exemplar der Geiseltal-Froschfossilien. Forscher haben nun ihre wahrscheinliche Todesursache gefunden.
Foto: Daniel Falk

Forscherinnen und Forscher des University College Cork (UCC, Irland) haben nun das Rätsel gelöst. Die Paläontologen untersuchten rund 170 Froschfossilien auf mögliche Todesursachen. Denkbar war, dass Sturmfluten die Amphibien in den Sumpf gewaschen haben, auch Raubtiere könnten die Frösche das Leben gekostet haben. Doch dazu sind die Knochen der Fossilien zu intakt, für solche gewalttätigen Ereignisse konnten die Forscher keine Hinweise finden. Außerdem zeigten die Frösche keine Spuren von Aasfressern, die sich an den Körpern gütlich getan hätten. Auch das wäre an Beschädigungen der Skelette sichtbar gewesen. "Soweit wir wissen, waren die fossilen Frösche gesund, als sie starben", sagt Daniel Falk von der UCC.

Orgie ohne Happy End

Bisherige Untersuchungen waren zu dem Schluss gekommen, dass die Frösche einer Trockenperiode oder einem Sauerstoffmangel im Wasser zum Opfer gefallen sind. Für beide Theorien findet das Team der UCC keine Anhaltspunkte. Ihre Studie legt vielmehr nahe, dass die Amphibien während eines Paarungsrituals gestorben sind. Auch heutige Froschlurche treffen sich mitunter in großen Gruppen, um sich zu paaren. Dabei kehren auch landbewohnende Arten, wie die Geiseltal-Frösche, ins Wasser zurück.

Den Forschern zufolge dürften die Frösche während so einer feucht-fröhlichen Sexparty gestorben sein. So sind vor allem Weibchen gefährdet, während der Paarung zu ertrinken, da sich gleich mehrere Männchen auf sie stürzen. Die Erkenntnisse aus dem Geiseltal zeigen, dass dieses Paarungsverhalten schon seit vielen Millionen Jahren existiert. Mit manchmal durchwachsenen Ergebnissen. (Dorian Schiffer, 7.7.2022)