In Brüssel wird gegen das iranische Regime und einen Gesetzesvorschlag im belgischen Parlament protestiert.

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Während sich am späten Mittwochabend die Angehörigen der österreichischen Botschaft beziehungsweise ihre Angehörigen zu Bette begaben, wurde in Wien das Außenministerium von einer zuerst im Iran verbreiteten Meldung aufgeschreckt: Das "Gespons" (geschlechtsneutral formuliert) des "österreichischen Kulturattachés" sei wegen Spionage festgenommen worden – wie der stellvertretende britische Botschafter, der mit anderen bei der Entnahme von Bodenproben in einem Sperrgebiet erwischt und des Ortes verwiesen worden war. Im iranischen TV waren Bilder davon zu sehen.

Dass der britische Diplomat, der namentlich genannt wurde, sich schon seit Monaten nicht mehr im Iran befand, stellte sich bald heraus. Und die genannte Person aus Österreich war sicher zu Hause, konnte das Außenministerium kurz vor Mitternacht dem STANDARD mitteilen.

Der Alarm war aber nicht übertrieben: Der Islamischen Republik Iran traut man in dieser Beziehung alles zu. Frankreich verschärfe seine Reisewarnung, teilte denn auch Philippe Errera, Generaldirektor für Auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit im französischen Außenministerium, am Donnerstag auf Twitter mit: Alle Besucher des Iran, Doppelstaatsbürger inklusive, trügen ein hohes Risiko, festgenommen, willkürlich inhaftiert und ungerecht verurteilt zu werden.

Zwei Austroiraner

Es ist in der Tat schwierig, einen Überblick über die Bürger und Bürgerinnen westlicher Staaten zu behalten, die in Teheran wegen Spionagevorwürfen in Haft sind. Es kommen ständig neue dazu. Auch zwei Austroiraner sind im Gefängnis, Kamran Ghaderi seit 2016 und Massud Mossaheb seit 2019.

Was für sie und andere derzeit ein leichter Hoffnungsschimmer ist, wird von anderen – darunter den österreichischen Grünen im Parlament – als Ärgernis kritisiert. Das belgische Parlament hat am Mittwoch über ein Abkommen mit dem Iran abgestimmt, das den Weg zum beiderseitigen Austausch von Verurteilten ebnen soll. Nächste Woche soll es finalisiert werden.

Der vermutete Hintergrund betrifft auch Österreich. Im Juni 2018 wurde ein an der iranischen Botschaft in Wien akkreditierter Diplomat, Assadollah Assadi, in Deutschland verhaftet, nach Belgien ausgeliefert und dort im Februar 2021 wegen versuchten Mordes und Beteiligung an Terrorismus zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Er soll den Anschlag auf eine iranische Oppositionsgruppe mitorganisiert haben. Obwohl das in dem Fall einfach nicht anwendbar ist, warf Teheran Wien danach vor, die diplomatische Immunität Assadis nicht respektiert zu haben.

Und dieser Assadi könnte vom iranisch-belgischen Abkommen profitieren – das lediglich vorsieht, dass ausgelieferte Verurteilte in ihrem jeweiligen Heimatland noch mindestens ein Jahr verbüßen müssen. Die Optik wird nicht besser dadurch, dass im Iran im Februar offenbar ein belgischer Staatsbürger festgenommen wurde. Man weiß nicht viel darüber, weil dessen Familie das nicht will.

Die Familien hoffen

Die betroffenen Familien setzen oft zuerst auf die "stille Diplomatie" ihrer Länder, viele von ihnen gehen jedoch später in ihrer Verzweiflung den Weg an die Öffentlichkeit. Manche hoffen nun, dass auch andere Europäer vom belgischen Deal profitieren könnten. Der dramatischste Fall ist jener des zum Tod verurteilten Schweden Ahmed-Reza Djalali, mit dessen Hinrichtung der Iran wiederholt gedroht hat. Dass sich Staaten – auch die USA und Großbritannien – mit Teheran arrangieren, um ihre Bürger heimzuholen, ist nicht neu. Ein Gesetz wie das belgische allerdings schon.

Die Hoffnung, die Beziehungen zum Iran durch die Neubelebung des Atomdeals zu verbessern, schwinden. Eine Runde indirekter Gespräche zwischen dem Iran und den USA, diesmal in Doha (Katar) und nicht in Wien, verlief ohne jegliche Resultate. Die Iraner hielten jedoch auch danach ihre Rhetorik über einen möglichen baldigen Durchbruch aufrecht, ein Optimismus, der sonst von niemandem geteilt wird.

Die USA haben am Mittwoch ihre Wirtschaftssanktionen, die im Fall eines erneuerten Atomdeals fallen sollen, sogar verschärft. Bestraft werden Firmen unter anderem aus China und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die in den Handel mit iranischem Öl und petrochemischen Produkten nach Ostasien involviert sind. Die USA seien aber weiter an einem Abschluss eines neuen Atomdeals mit Teheran interessiert, heißt es in Washington. (Gudrun Harrer, 8.7.2022)