Laut Ermittlungen der Behörden hat Robert C. seine Tat heimlich monatelang geplant.

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Der Todesschütze war polizeibekannt, er hatte psychische Probleme – und dennoch konnte er in einem Bundesstaat mit vergleichsweise strengem Waffenrecht legal fünf Gewehre kaufen und sieben Menschen töten. Auch Tage nach der Bluttat im Chicagoer Vorort Highland Park sind viele Menschen in den USA geschockt. Doch immer lauter wird auch die Frage gestellt, wie es zu dem Anschlag kommen konnte und ob die geltenden Gesetze wirkungslos sind.

"Gibt es Schlupflöcher in unseren Regeln?", argwöhnt nicht nur Julie Morrison. Die demokratische Senatorin im Kongress von Illinois war mit ihrer Familie Augenzeugin der Massenschießerei am Unabhängigkeitstag geworden. "Viel zu viele Menschen in diesem Land müssen das Trauma der Waffengewalt erleben", twitterte sie anschließend.

Nach den Attentaten von Buffalo im Bundesstaat New York und Uvalde in Texas hatten sich Demokraten und moderate Republikaner im US-Senat auf eine minimale Verschärfung der Waffengesetze geeinigt, die Präsident Joe Biden als Erfolg pries. So müssen Personen unter 21 Jahren vor dem Waffenkauf von der Polizei überprüft werden. Auch sollen Waffen eingezogen werden können, wenn ihr Besitzer eine Gefahr für sich oder seine Umwelt darstellt. Doch ähnliche Regeln sind im demokratisch regierten Bundesstaat Illinois schon in Kraft und konnten das Blutbad nicht verhindern.

Geständnis

Der 21-jährige Robert C. hat inzwischen gestanden, am Morgen des 4. Juli auf den Feiertagsumzug geschossen zu haben. Nach Polizeiangaben benutzte er ein AR-15-ähnliches halbautomatisches Schnellfeuergewehr, das für Sicherheitskräfte und das Militär entwickelt wurde, in den USA aber frei verkäuflich ist. Auf dem Dach des Gebäudes, von dem aus der Attentäter schoss, wurden 83 Patronenhülsen gefunden. Anschließend erwog Robert C. nach eigenen Angaben mit einem zweiten Schnellfeuergewehr und 60 Schuss Munition im Auto einen weiteren Anschlag im Nachbarstaat Wisconsin, den er aber aus unbekannten Gründen nicht ausübte.

Nach Erkenntnissen der Ermittler besaß Robert C. legal insgesamt fünf Schusswaffen, die er im Sommer 2020 und im Herbst 2021 gekauft hatte – obwohl die Polizei 2019 zweimal seine Personalien aufgenommen hatte.

Waffen wieder zurückgegeben

Zunächst wurden die Behörden im April 2019 über eine mutmaßliche Suizidabsicht des damals 18-Jährigen informiert. Nach der Versicherung der Eltern, dass der Sohn in Behandlung sei, wurde der Fall zu den Akten gelegt. Im September 2019 alarmierte dann ein Verwandter die Polizei, dass Robert C. eine Messersammlung besitze und drohe, "jeden zu töten". Die Beamten konfiszierten 16 Messer, einen Dolch und ein Schwert im Zimmer des Jugendlichen. Die Waffen wurden jedoch noch am selben Tag wieder ausgehändigt, nachdem sich der Vater als Eigentümer ausgegeben hatte.

Damit war der Vorgang für die Polizei erledigt. So fanden sich keine belastenden Unterlagen, als Robert C. im Dezember 2019 eine Lizenz beantragte, wie sie in Illinois – anders als in republikanischen Bundesstaaten – für den Erwerb einer Schusswaffe erforderlich ist. Weil er noch keine 21 Jahre alt war, trat sein Vater als Bürge auf. Im Januar 2020 wurde die Waffenkarte genehmigt, ein paar Monate später kaufte der 19-Jährige sein erstes halbautomatisches Gewehr. Im Internet veröffentlichte er neben Rapper-Videos auch Gewaltdarstellungen. Das aber fiel niemand auf. So griff das "Red Flag"-Gesetz von Illinois nicht, das ausdrücklich den Einzug der Waffen erlaubt, wenn vom Eigentümer eine Gefahr ausgeht.

Monatelang plante Robert C. nach Erkenntnissen der Behörden heimlich seine Tat. Am 4. Juli habe er dann das Leben von sieben Menschen ausgelöscht. (Karl Doemens aus Washington, 7.7.2022)