Seitdem die russische Armee die weitgehende Kontrolle über die Region Luhansk übernommen hat, hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins benachbarte Donezk verlagert.

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Kiew/Moskau – Die Ukraine bereitet sich nach der weitgehenden russischen Eroberung von Luhansk auf eine massive Ausweitung der Angriffe auf die ostukrainische Nachbarregion Donezk vor. Die Behörden forderten die Zivilbevölkerung zur Flucht auf. "Russland hat das gesamte Gebiet von Donezk zu einem gefährlichen Hotspot auch für Zivilisten gemacht", warnte Gouverneur Pawlo Kyrylenko. Der Bürgermeister von Slowjansk, Wadym Ljach, kündigte Busse und Züge in den Westen des Landes an.

Seitdem Russland die weitgehende Kontrolle über die ostukrainische Region Luhansk übernommen hat, hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins benachbarte Donezk verlagert. Im Visier der russischen Armee sind besonders die Städte Kramatorsk und Slowjansk. Der ukrainische Generalstab berichtete, rund um die Städte Kramatorsk und Bachmut seien mehrere Siedlungen mit Artillerie beschossen worden. Aus der südukrainischen Region Odessa wurden darüber hinaus in der Nacht zwei Raketenangriffe gemeldet.

Trotz ihrer militärischen Erfolge kämpfen russische Truppen nach Angaben aus Kiew aber immer noch um die vollständige Kontrolle über Luhansk. Dazu hätten die Russen einige ihrer Einheiten verlegt, teilte der ukrainische Generalstab mit. Aus Moskau heißt es hingegen seit Tagen, man habe Luhansk komplett unter Kontrolle gebracht.

Ukrainische Flagge auf Schlangeninsel

Ukrainische Soldaten hissten auf der symbolträchtigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer inzwischen wieder die ukrainische Flagge. Der Sprecher der Militärverwaltung des Gebiets Odessa, Serhij Brattschuk, veröffentlichte im Nachrichtendienst Telegram mehrere Fotos. Die Insel war nach Kriegsbeginn von Russen besetzt worden, die Truppen zogen vor einer Woche nach ukrainischen Angriffen wieder ab.

Der Sprecher der Militärverwaltung der Region Odessa veröffentlichte auf Telegram mehrere Fotos der ukrainischen Flagge auf der Insel.
Foto: APA/AFP/Ukraines border guards

Am Donnerstag früh wurde der Anlegesteg der Insel ukrainischen Angaben zufolge durch zwei russische Raketen "erheblich beschädigt". Von russischer Seite hieß es, bei dem Angriff seien mehrere ukrainische Soldaten getötet worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Treffen in Bali

Auf der indonesischen Insel Bali beginnt am Donnerstagabend (Ortszeit) ein Außenministertreffen der G20-Gruppe führender und aufstrebender Wirtschaftsmächte. Zu den Beratungen auf Bali werden neben US-Außenminister Tony Blinken auch der russische Außenminister Sergej Lawrow und dessen chinesischer Amtskollege Wang Yi persönlich erwartet.

Thema der ersten Sitzung der Außenminister am Freitag ist unter anderem die Stärkung des Multilateralismus.
Foto: APA/AFP/RUSSIAN FOREIGN MINISTRY

Der G20-Runde gehören auch autoritär geführte Länder wie Russland, China und Saudi-Arabien an. Indonesien hat derzeit die Präsidentschaft. Die deutsche Ressortchefin Annalena Baerbock (Grüne) warb vor ihrem Abflug für eine gemeinsame Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Wir alle haben ein Interesse daran, dass internationales Recht geachtet und respektiert wird. Das ist der gemeinsame Nenner", erklärte die Grünen-Politikerin am Mittwoch. "Und es ist auch der Grund, warum wir Russland nicht einfach die Bühne des Treffens überlassen werden.

"Bei dem Außenministertreffen ist am Donnerstagabend (Ortszeit) ein Empfang vorgesehen. Thema der ersten Arbeitssitzung am Freitag ist die Stärkung des Multilateralismus – also der gemeinsamen und gleichberechtigten Konfliktlösung auf dem Boden internationaler Regeln. Zudem soll es vor dem Hintergrund des russischen Krieges in der Ukraine um die weltweite Ernährungs- und Energiesicherheit gehen. Lawrows Anwesenheit gilt als Test für eine mögliche Teilnahme von Kremlchef Wladimir Putin am G20-Gipfel am 15. und 16. November, der ebenfalls auf Bali stattfindet.

Habeck: Preiserhöhungen hinsichtlich Gas könnten im "vierstelligen Bereich" liegen

Die deutsche Regierung wird nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Gasversorgung in Deutschland mit allen Mitteln sicherstellen. Angesprochen auf einen möglichen Zusammenbruch des Marktes, sagte Habeck am Mittwochabend im ZDF, das werde nicht passieren. "Das ist jetzt dieser Moment von "'Whatever it takes', es wird nicht passieren".

Habek sagte man sei angesichts eines drohenden Ausfalls russischer Gaslieferungen "nicht nur passiv".
Foto: APA/AFP/CHRISTOF STACHE

Das sagte der deutsche Politiker in Anlehnung an Äußerungen des ehemaligen Chefs der EZB, Mario Draghi. Der Italiener hatte mit diesem "Was auch immer notwendig ist" einst die Rettung des Euro versprochen.

Mit Blick auf einen drohenden Totalausfall russischer Gaslieferungen betonte Habeck: "Wir sind nicht nur passiv. Wir müssen nicht staunend daneben stehen, was da passiert." Es sei schließlich auch gelungen, trotz um 60 Prozent abgesenkter Gaslieferungen die Versorgungssicherheit in Deutschland aufrechtzuerhalten. Allerdings müssten sich die Bürger und Bürgerinnen auf einen teuren Winter einstellen. Die Preiserhöhungen im Herbst und Winter 2022/23 würden pro Haushalt "im vierstelligen Bereich liegen. Und das kann dann eben auch mal ein Monatseinkommen für eine Familie sein." Sparen bleibt nach Ansicht des Grünen-Politikers daher das Gebot der Stunde. Um angesichts der Drosselung russischer Lieferungen Gas einzusparen, soll auch weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden – stattdessen sollen wieder mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. (red, APA, Reuters, 8.7.2022)