Kommenden September soll der erste auf dem Spiel "League of Legends" basierende Roman "Ruination" erscheinen.

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Seit 2009 gibt es das Videospiel League of Legends, bei dem zwei Teams mit dem Ziel gegeneinander antreten, den gegnerischen "Nexus" zu zerstören. Für kommenden September hat der Spieleentwickler Riot Games den ersten "League-of-Legends-Roman" Ruination angekündigt. Er soll die Videospielwelt in Buchform erlebbar machen. Viele Games-Hersteller setzen auf eine literarische Zweitverwertung ihrer Spielewelten. Naheliegend, existieren neben Figuren und Settings doch auch schon die Fans als Markt.

Einen Vorstoß in die andere Verwertungsrichtung unternahm 2014 der deutsche Verlag Bastei Lübbe und kaufte sich in das kleine Spielestudio Daedalic ein, um Bestseller wie Ken Folletts Säulen der Erde als Game zu produzieren. Man bewarb das Ergebnis als "interaktiven Roman", das Segment entwickelte sich aber nicht wie erhofft, 2020 verkaufte man die Anteile wieder. Andere auf Büchern basierende Games (Metro) haben mehr Erfolg.

Zukünftiges Kulturgut

In den Feuilletons kommt solches weniger vor. Literatur und Videospiele sind aber auch im Bewusstsein der Forschung näher aneinandergerückt, als 2019 die Leiterin des Literaturarchivs Marbach anmerkte, die Institution, eine Speicherkammer neuer deutschsprachiger Literatur, werde ihre Aktivitäten in puncto Games verstärken. "Literatur und eine bestimmte Art von Computerspielen haben mehr miteinander gemein, als man zunächst denkt. Vielleicht sind es diese Spiele, die wir zukünftig als Kulturgut empfehlen werden?"

Warum das? Dilan Çakir forscht in Marbach zu Games. Games, die in Buchhandlungen verkauft wurden und Adaptionen von literarischen Werken waren, sammelt man dort neben DVDs oder CDs schon lange. Zum Beispiel von 1996 Ottos Mops nach Ernst Jandl. Man verstärkt die Bemühungen aber. Zurzeit hat man 80 Games im wachsenden Katalog.

Plot, Motive, Stimmung.

Deren Bezüge zur Literatur sind vielfältig. Nicht immer wird der Plot übernommen, oft geht es bloß um Motive, Stimmung. In Bad Mojo, das sich auf Kafkas Verwandlung bezieht, ist der Spieler ein Käfer, mit der Handlung der Erzählung hat das Rätselspiel aber so wenig zu tun wie Beckett mit dem Autor desselben Namens. Als "psychologischer Horror" und "surrealistischer Albtraum" beschrieben, bewegt man sich im Spiel durch eine düstere Welt. Marbachs Interesse, inwiefern "neue Formen der Narration, die man in Games ausprobiert, für die Literaturwissenschaft interessant sind", wird hier wohl kaum befriedigt. Klar ist: "Ein Buch ist statisch", sagt Çakir. "Im Game entsteht Erzählung, indem man spielt."

Die vielen Adaptionen findet Çakir jedenfalls nicht erstaunlich: "Immer, wenn ein neues Medium erfunden wurde, wurde auch in ihm erzählt." Neue Medien haben dabei stets Formen und Stoffe aus älteren übernommen.

Jüngst schwappten Games in die ernsthafte Literatur hinein, etwa Spielefiguren in Raphaela Edelbauers Das flüssige Land. Das liegt für Çakir daran, dass Videospiele "in vielen Gesellschaftsschichten angekommen sind". Man muss sich künftig öfter mit Games auskennen, will man neueste Literatur verstehen. (Michael Wurmitzer, 9.7.2022)